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Die Situation für inhaftierte Migranten und Geflüchtete in Tripolis ist verheerend

Ärzte ohne Grenzen hat die medizinische Versorgung von Flüchtenden und Migranten, die in der libyschen Hauptstadt Tripolis interniert werden, im ersten Viertel des Jahres 2017 fortgesetzt. Wir haben mehr als 4.000 medizinische Untersuchungen in sieben unterschiedlichen Gefangenenlagern durchgeführt, die nominell unter der Kontrolle der Abteilung zur Bekämpfung illegaler Migration (DCIM) stehen.

Monatlich wurden etwa 1.300 Insassen in unseren mobilen Kliniken behandelt, unter anderem wegen Hautkrankheiten, Durchfall, Atemwegserkrankungen und Harnwegsinfekten. Diese vermeidbaren Erkrankungen sowie akute Mangelernährung sind eine direkte Folge der Haftbedinungen. Die Zustände in den Gefangenenlagern entsprechen keinerlei regionalen, nationalen oder internationalen Standards.

Mangelernährung bei Erwachsenen

Die Nahrungsmittel, die in den Internierungslagern bereitgestellt werden, sind im Hinblick auf Menge und Qualität oft unzureichend. Während der ersten drei Monate des Jahres 2017 haben wir in zwei Gefangenenlagern Unterbrechungen in der Versorgung mit Nahrungsmitteln beobachtet. Die Inhaftierten waren tagelang ohne Nahrung. Im Januar gab es 13 akut mangelernährte Patienten in unserem therapeutischen Ernährungsprogramm, 19 Patienten im Fepuar und 20 im März.

Überfüllung

Die Zahl der Inhaftierten in den Lagern schwankt stark. Ohne eine funktionierende Rechtsstaatlichkeit werden die Menschen willkürlich festgehalten. Es bleibt weiterhin unklar, wie das System der Internierungen eigentlich funktioniert. Vom einen Tag auf den anderen tauchen Menschen auf, nachdem sie von der libyschen Küstenwache auf dem Mittelmeer aufgegriffen, auf der Straße verhaftet, in nächtlichen Razzien ergriffen oder von Einzelpersonen in ein Gefangenenlager gebracht worden sind. Inhaftierte werden plötzlich über Nacht entlassen oder an unbekannte Orte verlegt.

Wenn eine große Zahl von Menschen in einem zu kleinen Raum eingesperrt wird, leiden die Inhaftierten unter Schmerzen an Muskulatur und Knochen, und die Übertragung von Erkrankungen und Infektionen wie Krätze und Windpocken wird begünstigt. Schlechte Belüftung erhöht die Zahl infektiöser Atemwegserkrankungen. Im Hinblick auf die Überfüllung hat es zwar eine leichte Verbesserung gegeben. Aber unsere Mitarbeiter haben während der gesamten ersten drei Monate dieses Jahres überfüllte Zellen gesehen.

Psychologische Unterstützung

Die Haft hat direkte Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Inhaftierten, die keine Aussicht darauf haben, dass sich ihre Situation in naher Zukunft verbessern wird und oft gar nicht wissen, warum und wie lange sie gefangen gehalten werden.

Eine große Zahl der Inhaftierten leidet unter sogenannter extremer Wachsamkeit (Hypervigilanz), einem Zustand, in dem ein Mensch andauernd nach möglichen Gefahren in seiner Umgebung sucht und sehr schreckhaft ist. Viele Inhaftierte haben Suizidgedanken, Schlafstörungen, zeigen Symptome eines posttraumatischen Stresssyndroms und leiden unter Panikattacken, Depressionen und Angst.

Unsere Teams bieten in Internierungslagern psychosoziale Unterstützung und individuelle Beratungssitzungen an. Wir haben in den ersten drei Monaten dieses Jahres 17 Menschen psychiatrisch behandelt.

Gewaltbedingte Verletzungen

Ärzte ohne Grenzen behandelt gewaltbedingte Verletzungen, darunter sichtbare Narben, Schürfwunden und Platzwunden. Wir behandelten fünf Betroffene im Januar, acht im Februar und drei im März. In medizinischen Notfällen versuchen wir, Patienten in Krankenhäuser in Tripolis zu verlegen. Während des ersten Vierteljahres verlegten unsere Mitarbeiter mehr als 53 Menschen, die dringend spezieller medizinischer Hilfe bedurften. Jede einzelne Verlegung ist sehr kompliziert und zeitaufwändig. Viele Krankenhäuser wollen keine Inhaftierten aufnehmen.

Zugang zu Trinkwasser und Toiletten

Um gesundheitlichen Problemen wie Hautkrankheiten und Befall durch Läuse und Flöhe entgegenzuwirken, muss es genügend Trinkwasser und Zugang zu Toiletten und Duschen geben. In den meisten Gefangenenlagern, in denen unsere Mitarbeiter arbeiten, genügt die Verfügbarkeit von Wasser jetzt auch tatsächlich der Mindestmenge für die Trinkwasserversorgung und die Körperhygiene - oder übertrifft sie sogar. Unsere Teams haben in mehreren Lagern Wassertanks, Leitungen und Wasserhähne installiert, um die Wasserqualität zu verbessern und ungehinderten Zugang zu fließendem Wasser sicherzustellen. Wir überprüfen und warten diese Versorgungssysteme regelmäßig.

Trotzdem ist es in Zeiten begrenzter Verfügbarkeit aufgrund häufiger Stromausfälle und Wasserknappheiten in Tripolis schwierig, die Wasservorsorgung in Gefangenenlagern aufrecht zu halten. Die Möglichkeiten, Wasser mit Tankwagen liefern zu lassen, sind begrenzt.

Nicht in allen Lagern sind die Toiletten rund um die Uhr zugänglich. Wir haben uns darum bemüht, die hygienischen Bedingungen in den Lagern zu verbessern, Hygieneartikel zur Verfügung zu stellen und die Räumlichkeiten sauber zu halten. Dennoch haben Inhaftierte nicht immer ungehinderten Zugang zu den von uns verteilten Versorgungsgütern und unsere Mitarbeiter beobachten, dass Gegenstände manchmal konfisziert werden.

Grenzen medizinischer Arbeit

Unsere medizinische Nothilfe findet in einer stark militarisierten Umgebung statt. Das tägliche Leben unserer Patienten wird dauernd überwacht. Unsere Ärzte haben nicht immer ungehinderte Freiheit dabei, Triage durchzuführen oder zu entscheiden, welche Patienten zu uns dürfen. Die nötige Privatsphäre für Untersuchungen ist nicht garantiert. In einigen Gefangenenlagern wird Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen ein gesonderter Bereich für Untersuchungen zur Verfügung gestellt, doch in anderen geschieht das nicht.

Es ist eine schwere Entscheidung für uns, in einer Umgebung zu arbeiten, wo Menschen in entwürdigenden Umständen leben müssen. Dennoch hoffen wir, dass durch unsere Präsenz und medizinische Hilfe die Situation der Internierung verbessert und das Leiden der Inhaftierten ein wenig abgemildert werden kann.

Ärzte ohne Grenzen lehnt die unbefristete willkürliche Inhaftierung von Migranten, Flüchtenden und Asylsuchenden in Libyen ab.