Direkt zum Inhalt
Zurück
Menü

1.700 Gerettete in Italien angekommen – Geburt auf Holzboot, weitere Frau in Wehen

Die beiden Rettungsschiffe Prudence und Aquarius sind am Freitagmorgen mit 1.795 Menschen an Bord in Italien angekommen. Unter den in den vergangenen drei Tagen aus Seenot geretteten Menschen befinden sich auch mehrere Schwangere und Neugeborene, die dringend medizinische Hilfe benötigten. Eine Frau hatte auf einem überfüllten Holzboot ein Kind zur Welt gebracht. Sie war bei der Ankunft auf der „Aquarius“ noch über die Nabelschnur mit ihrem Sohn verbunden. Bei einer Frau an Bord der Prudence setzten die Wehen ein.

„In unserer Klinik auf der Aquarius haben wir die Nabelschnur durchtrennt“, sagt Alice Gautreau, die Hebamme von Ärzte ohne Grenzen an Bord der Aquarius, die die Nachgeburt begleitete. „Bei der Mutter mussten wir an einer Stelle das Gewebe etwas nähen, aber ansonsten verlief alles sehr gut. Das Baby namens Christ wiegt knapp dreieinhalb Kilogramm. Trotz der unglaublichen Umstände dieser Geburt geht es Mutter und Kind gut. Aber wäre es nicht besser, wenn die beiden nicht durch diese extrem gefährliche Situation hätten gehen müssen? Wenn die Mutter nicht auf einem überfüllten Boot inmitten von mehr als hundert zusammengepferchten Menschen irgendwo draußen auf dem Meer hätte entbinden müssen?“

Neben der Geburt behandelten die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen an Bord der Aquarius und der Prudence viele Patienten mit Verletzungen infolge von Gewalt und Misshandlungen in Libyen. Ein Mann hatte eine große infizierte Wunde am Fuß, nachdem er mit einem Stock geschlagen worden war, „weil er eine dunkle Hautfarbe habe“, wie er sagte. Ein anderer Mann aus Mali war auf brutale Weise von Schmugglern zusammengeschlagen worden.

Unter den 860 Geretteten auf der Aquarius, die von SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen gemeinsam betrieben wird, befinden sich 10 schwangere Frauen und 60 unbegleitete Minderjährige. Unter den 935 Menschen an Bord der Prudence sind 118 Frauen und 16 Kinder.

„Ich wurde in Libyen entführt und fünf Monate lang in einem Lager gefangen gehalten, wo ich mein Kind ganz ohne Hilfe zur Welt bringen musste“, erzählte Patience aus Nigeria an Bord der Prudence dem Team. „Ich habe die Nabelschnur mit einem Rasiermesser durchtrennt. Ich hatte große Schmerzen. Das Boot war meine einzige Chance zu entkommen.“

„Jeden Tag hören unsere Teams die Geschichten dieser schrecklichen Flucht durch Libyen und über das Meer und behandeln die Folgen davon medizinisch“, sagt Michele Trainiti, Koordinator der Seenotrettung von Ärzte ohne Grenzen. „Wir fragen uns, was passieren würde, wenn unsere Boote zu spät kämen, wenn es keine erfahrenen medizinischen Teams an Bord gäbe. Die Menschen werden weiter aus Libyen fliehen, unabhängig von dem Risiko, das ihnen auf dem Meer droht. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten müssen sichere und legale Alternativen zu diesen gefährlichen Überfahrten schaffen. Eine europäische Seenotrettung muss dringend geschaffen werden, die sich ganz darauf konzentriert, Menschenleben zu retten.“

Die Prudence ist am Freitagmorgen in Salerno bei Neapel angekommen, die Aquarius in Brindisi. Im Jahr 2017 haben die beiden Rettungsschiffe mit Teams von Ärzte ohne Grenzen mehr als 17.800 Menschen aus Seenot gerettet.