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Myanmar: Gebrochener Waffenstillstand hindert medizinische Hilfe

Der Konflikt im nördlichen Bundesstaat Rakhine flammte im November erneut auf und brach den informellen Waffenstillstand. 120.000 Menschen wurden erneut vertrieben, Gesundheitseinrichtungen beschädigt oder verlassen. Unsere 25 mobilen Kliniken mussten aufgrund der Ausschreitungen und fehlender Arbeitsgenehmigungen ihre Arbeit einstellen. 

Für rund 1.500 Patient*innen die Woche bedeutet das nicht behandelt werden zu können. Deshalb suchten wir nach anderen Möglichkeiten: Wir begannen mit Telefonsprechstunden und setzen verstärkt auf unsere Community Health Worker*innen. Sie sind Anwohner*innen mit medizinischen Kenntnissen und bilden an Orten, wo wir nicht anwesend sein können, die Schnittstelle zu Patient*innen. Drei unserer Community Health Worker*innen berichten von ihrem schwierigen Alltag:

“Für Patient*innen mit Diabetes haben wir keine Medikamente mehr.” 

Unsere Klinik in Minbya versorgt mehr als 4.000 Patient*innen. Sie gehören den Volksgruppen der Rohingya und Rakhine an. Unsere Teams können die Klinik seit dem 13. November nicht mehr betreiben. Unsere Kollegin Aung Aung* berichtet: 

"Ich arbeite hier als Community Health Workerin. Der Unterschied zwischen vor dem Konflikt und heute ist sehr deutlich. Ich fühle mich sogar auf der Straße unsicher.  

Das einzige, was ich aktuell tun kann, ist die Ärzt*innen anrufen und die Patient*innen nach ihren Anweisungen versorgen. Manchmal funktionieren die Mobilfunkverbindungen allerdings nicht. Wir versuchen trotzdem, einmal die Woche eine Sprechstunde anzubieten. Für Patient*innen mit Diabetes und Bluthochdruck haben wir keine Medikamente mehr.  

Die Benzinpreise steigen ebenfalls wegen der andauernden Kämpfe. Mittlerweile kostet die Fahrt ins Krankenhaus genauso viel, wie die Behandlung selbst. Für viele Betroffene ist das eine große Herausforderung. Zum Vergleich: Vor den Kämpfen kostete der Weg 2.000 Kyat, heute kostet der gleiche Weg 60.000 Kyat. 

In Zukunft wird es für Notfallpatient*innen und für diejenigen, die ein monatliches Rezept benötigen, sehr schwierig werden. Solange die Straßen blockiert sind und die Kämpfe andauern, werden die Kliniken und Apotheken in der Stadt geschlossen bleiben." 

“Ärzte können Notfallpatient*innen nur noch per Telefon untersuchen” 

Min Thu* arbeitet in Pauktaw, im Norden von Rakhine, in einem Camp für 7.500 Binnenvertriebene, die meisten von ihnen Rohingya. Pauktaw ist aktuell von schweren Angriffen betroffen und mit neuen Massenvertreibungen konfrontiert. Das städtische Krankenhaus musste geschlossen werden, Bewegungen in und aus Pauktaw, auch in das Camp, sind praktisch unmöglich.  

Unsere medizinischen Teams stehen vor ernsthaften Hindernissen, wenn sie in irgendeiner Form Hilfe leisten wollen. Außerdem wird der Transport von Notfallpatient*innen immer schwieriger.  

“Wir können unsere Klinik nicht mehr wie früher öffnen. Bei Notfallpatient*innen versuchen wir, die Ärzt*innen per Telefon zu erreichen und setzen dann die von ihnen gegebenen Anweisungen bestmöglich um. Es ist jedoch sehr schwierig, wenn sie die Patient*innen nicht persönlich untersuchen können.  

Wir fürchten um die Zukunft. Wenn wir unsere Kliniken aufgrund des Konflikts und der Bewegungseinschränkung weiterhin nicht öffnen können, wird das für unsere Patient*innen schwerwiegende Folgen haben.” 

“Ich sorge mich um die Gesundheit der Menschen.” 

In Rathedaung gibt es in unmittelbarer Nähe der Stadt viele Camps für Vertriebene, in denen hauptsächlich ethnische Rakhine leben. Als die jüngsten Kämpfe in der Region ausbrachen, flohen die Menschen aus diesen Camps in ländlichere Gebiete, um sich in Sicherheit zu bringen. So auch Yan Naing, unser Community Health Worker in Rathdaung: 

"In der Nähe unserer Lager wurde heftig geschossen, so dass alle Anwohner*innen fliehen und anderswo Schutz suchen mussten. Ich bin einer von ihnen. Außerdem hören wir Gerüchte aus anderen Gegenden, dass Zivilisten verhaftet oder als menschliche Schutzschilde benutzt werden.  

Wir sind ständig in Bewegung, haben selten Strom und müssen zum Beispiel immer daran denken, unsere Handyakkus zu schonen. Die Versorgung unsere Patient*innen mit Medikamenten ist äußerst schwierig, da unsere Klinik nicht mehr betrieben werden kann.  

Zusätzlich hören wir jeden Tag von blockierten Wegen - über Wasser genauso wie an Land. Dadurch können Patient*innen, die medizinische Hilfe benötigen, diese nur sehr begrenzt erreichen. Das Einschränkungen betreffen auch den Güterverkehr von Lebensmitteln. Meine einzige Sorge gilt im Moment der Gesundheit und der Ernährung der Menschen." 

Das Ausmaß der Gewalt in Myanmar in den letzten Monaten ist beispiellos.

Sie hat schwerwiegende Auswirkungen auf alle Menschen, die in und um die Kampfgebiete herum leben. Lebensrettende Dienste funktionieren nur begrenzt oder gar nicht und wenn doch, dann ist es gefährlich sie zu erreichen.   

Die Bevölkerung im Bundesstaat Rakhine - ethnische Rohingya sowie ethnische Rakhine – waren bereits vor dem aktuellen Konflikt in hohem Maße auf humanitäre Hilfe angewiesen und leben ständig mit auferlegten Beschränkungen, die ihre Bewegungsfreiheit beeinträchtigen.  

Blockaden verhindern medizinische Hilfe 

Der Zugang für humanitäre Organisationen im Bundestaat Rakhine wurde schon immer sorgfältig kontrolliert. Unsere mobile Kliniken versorgten vor dem Konflikt insbesondere ländliche Gebiete, in denen es sonst keine anderen Möglichkeiten der medizinischen Versorgung gibt.  

Die verschiedenen Blockaden wirken sich nicht nur auf unsere mobile Kliniken aus, sondern betreffen auch auf andere humanitäre Organisationen. Auch sie können ihre regulären Einsätze nicht mehr durchführen können. Die Fortsetzung der derzeitigen Blockaden wird katastrophale Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen vor Ort haben. 

Medizinische Hilfe muss geschützt werden 

Die Konfliktparteien müssen sicherstellen, dass Gesundheitseinrichtungen sowie medizinisches Personal ihre lebensrettende Arbeit fortsetzen können und einen sicheren Zugang der Bevölkerung von Rakhine zur Gesundheitsversorgung gewährleisten.