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„Eine große Befreiung für Frauen, die ihre Schmerzen jahrelang verschwiegen“ – Frauentreffs helfen, über Frauengesundheitsprobleme zu sprechen

Für viele Frauen in Niger ist es nicht leicht, mit Unbekannten - vor allem mit Männern, über körperliche Probleme zu sprechen. Sie schrecken deshalb davor zurück, in den Gesundheitseinrichtungen Hilfe zu suchen. Ärzte ohne Grenzen bemerkte, dass dies beispielsweise in der Region Diffa eine der größten Hürden dabei darstellte, Frauen Zugang zu Angeboten im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit zu ermöglichen. Dabei haben die Frauen oft schwerwiegende Probleme wie Geburtsfisteln, durch die sie inkontinent werden, was ihr Leben schwerwiegend beeinträchtigen kann. Daher wurden Treffs eingerichtet, bei denen Frauen Frauen helfen, wodurch gleichzeitig die Stellung der traditionellen Hebammen gestärkt wird.

Vor drei Jahren hat Fajimatou ihr viertes Kind zur Welt gebracht. Seither leidet sie aufgrund einer Geburtsfistel an Inkontinenz. Zudem hat sie häufig Blasenentzündungen. Da sie sich schämte, ihre Probleme vor den Helfern im Gesundheitszentrum anzusprechen, behielt sie sie für sich. Als sie dann vom Frauentreff hörte, den wir in ihrem Dorf Kargamari eingerichtet haben, konnte sie endlich aufatmen: „Ich wusste, dass sich dort eine andere Frau um mich kümmern würde, der ich vertrauen kann. Wir Frauen kennen Dalaran gut, denn sie ist seit mehreren Jahren die Matrone unseres Dorfes, aber bisher hatten wir keinen wirklich passenden und geschützten Ort, um frei mit ihr zu sprechen“, erzählt Fajimatou, die mit der hier üblichen Bezeichnung „Matronen“, die traditionellen Hebammen meint.

Fajimatou ist nicht die einzige, die ihre Schmerzen lange Zeit verschwiegen hat. Im Dorf Garin Toudou treffen wir Kolo, 22 Jahre alt und Mutter von drei Kindern. Sie erzählt uns, dass sie bereits seit dem ersten Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann vor sechs Jahren unter Schmerzen leidet. „Ich hatte damals noch keine Kinder, aber schon da war es sehr unangenehm, wenn ich mit meinem Mann schlief oder zur Toilette ging. Einmal bin ich sogar zur Untersuchung in ein Gesundheitszentrum gegangen. Aber als der Gesundheitshelfer vor mir stand, habe ich kein Wort herausgebracht.“

Mehr Vertrauen und bessere Versorgung

Um für die Frauen in den Dörfern eine vertrauliche Atmosphäre zu schaffen, in der sie über Gesundheitsprobleme reden können, beschlossen wir, mit den traditionellen Hebammen zusammenzuarbeiten. Die Hebammen sind für die Frauen Ansprechpartner: „Dadurch, dass die Frauen zuerst mit einer im Dorf respektierten Person reden können, die sie kennen, fassen sie eher Vertrauen als gegenüber fremden Menschen“, erklärt unsere Projektkoordinatorin für Diffa, Alira Halidou. 

Durch die Frauentreffs wurde auch die Stellung der traditionellen Hebammen in den Dörfern gestärkt. „Früher habe ich die Frauen nur in der Schwangerschaft und bei der Entbindung begleitet. Als die Teams von Ärzte ohne Grenzen dann diesen geschützten Raum einrichteten, lehrten sie mich auch, wie man Gespräche führt und Zeichen einer Erkrankung erkennt. Seither habe ich einen besseren Kontakt zu den Frauen, und sie fragen mich häufiger um Rat. Da sie mir vertrauen, kann ich sie besser mit den Teams von Ärzte ohne Grenzen in Verbindung bringen“, erläutert Dalaran, die traditionelle Hebamme des Dorfs Kargamari. Dies bestätigt auch Kingui: „Ich bin seit zehn Jahren Matrone in Garin Toudou, und noch nie haben sich die Frauen so oft an mich gewandt. Mittlerweile kommen sogar Mädchen von 15 und 16 Jahren zu mir. Sie klopfen an meine Tür, um mir Fragen zu ihrem Monatszyklus oder zu ihrer ersten Schwangerschaft zu stellen. Davor hätten sie sich nie getraut, sich einer fünfzigjährigen Frau wie mir anzuvertrauen. Wir haben jetzt eine ganz andere Gesprächskultur.“

Die Frauentreffs sind nur darum so erfolgreich, weil sie im Beziehungsnetz der Dörfer verankert sind. „Bei den Zusammenkünften unserer Teams zur Gesundheitsförderung haben die Frauen mehrfach erklärt, sie bräuchten einen geschützten Raum, um über körperliche Dinge reden zu können, die sie sich vor Männern nicht anzusprechen trauen. Damit die Männer sich dem Projekt nicht entgegenstellen, wurde in den Dörfern offen darüber diskutiert. Schlussendlich hat in den meisten Dörfern der Dorfvorsteher einen Raum bereitgestellt, den wir als Frauentreff einrichten durften“, erzählt Alira. 

In den Gesundheitsbezirken Assaga und Chétimari (Region Diffa), wo wir seit 2015 eine medizinische Grundversorgung für die Bevölkerung anbieten, haben wir seit September 2017 in neun Dörfern Frauentreffs eingerichtet. Zu den Beschwerden, zu denen wir die traditionellen Hebammen besonders schulten, gehören sexuell übertragbare Krankheiten, sexuelle Gewalt und Geburtsfisteln. Geburtsfisteln können bei schwierigen und langwierigen Geburten ohne medizinische Betreuung bei einem Geburtsstillstand entstehen. Der kindliche Kopf drückt gegen das Becken der Mütter und das Gewebe stirbt ab. So entsteht eine bleibende Öffnung, durch die Urin unkontrolliert austreten kann. Aufgrund der Inkontingenz werden die Frauen oft stigmatisiert. Millionen Frauen in Afrika leiden wegen fehlender medizinischer Hilfe unter Geburtsfisteln. Besonders gefährdet sind Frauen, die bereits in jungen Jahren häufig schwanger waren.

Muttergesundheit: In Niger eine große Herausforderung

„Laut den landesweiten Statistiken von 2015* hat im Niger eine Frau durchschnittlich 7,3 Kinder. Da fast 30 Prozent der Entbindungen noch immer ohne medizinische Begleitung zuhause erfolgen, verwundert es kaum, dass die Müttersterblichkeit so hoch ist“, merkt unsere medizinische Koordinatorin im Niger, Ann Mumina, an.

Empfängt die traditionelle Hebamme eine Frau, die eine besondere Behandlung benötigt und nicht im Gesundheitszentrum versorgt werden kann, kann sie über ein von uns zur Verfügung gestellte Mobiltelefon ein medizinisches Team anfordern. So konnten wir bereits etwa dreißig Frauen kostenlos medizinisch behandeln, die meisten von ihnen mit Geburtsfisteln wie Fajimatou oder mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie Kolo. Das ist eine große Befreiung für diese Frauen, die ihre Schmerzen aus Scham jahrelang verschwiegen haben. Fajimatou berichtet erleichtert: „Seitdem ich von Ärzte ohne Grenzen operiert wurde, verliere ich nicht mehr unkontrolliert Urin. Das ist eine große Entlastung für meinen Alltag. Und jetzt bin ich es, die andere Frauen ermutigt, im Frauentreff vorbeizugehen und Hilfe zu holen.“

 

* Alle Zahlen in diesem Artikel stammen aus der Nationalen Studie über sozio-ökonomische und demografische Indikatoren (ENISED), die das nigrische Landesamt für Statistik 2015 durchgeführt hat. http://www.stat-niger.org/statistique/file/ENISED/Rapport_ENISED_.pdf