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Südafrika: Licht und Schatten – Der Kampf gegen Covid-19 in ländlichen Gebieten

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie konzentriert sich die Berichterstattung überwiegend auf die Situation in den Städten, weil dort die höchsten Infektionszahlen erfasst werden. Jetzt, wo sich die Ausbreitung mancherorts verlangsamt, wird klar: Covid-19 ist nicht nur ein Phänomen des urbanen Raums. Im September waren der Fotograf Chris Allen und unser Kollege Sean Christie, Kommunikations-Manager in Kapstadt, im Hinterland der im Osten Südafrikas gelegenen Provinz KwaZulu-Natal unterwegs und haben dokumentiert, wie die Gemeinden und unsere Teams gegen das Virus vorgegangen sind, welche Erfolge sie feiern durften und was sie gelernt haben.

 

Das Bezirkskrankenhaus von Mbongolwane liegt auf einem Hügel tief im ländlichen Zulu-Land und versorgt mit 200 Betten etwa 70.000 Menschen.

Als im Juli positive Fälle in der Gegend bestätigt wurden, richten wir mit der Krankenhausleitung ein effizientes System ein, um die Ankunft der Patient*innen zu organisieren. Dazu gehört ein Empfangszelt am Eingang des Krankenhauses, in dem Patient*innen mit Covid-19-Symptomen mit Ärzt*innen sprechen können.

„Die meisten Menschen, die ins Krankenhaus kommen, bleiben nicht dort – sie werden untersucht und entweder für einen Covid-19-Test isoliert oder mit Medikamenten nach Hause geschickt. Die Getesteten werden entweder gebeten, sich zu Hause zu isolieren, oder, falls sie sehr krank sind, werden sie in den Quarantänebereich überwiesen, der für eine Sauerstofftherapie ausgestattet ist”, sagt unsere Ärztin Dr. Helene Muller. „Das System funktioniert, auch wenn das Arbeiten mit Schutzkleidung in den Zelten an heißen Tagen ein Alptraum ist!”

Dieses Vorgehen hilft zwar, Covid-19-Patient*innen zu identifizieren und zu isolieren, aber die Versorgung von Patient*innen mit schweren Symptomen hat sich in den ländlichen Gegenden als schwierig erwiesen, berichtet unser Pfleger Buhle Nkomonde.

 

Während  Covid-19- Patient*innen in unserem Projekt in Khayelitsha/Kapstadt beispielsweise in ein Zeltkrankenhaus auf der anderen Straßenseite überwiesen werden können, müssen sie auf dem Land über schlechte Straßen in ein 70 Kilometer entferntes Krankenhaus geschickt werden, berichtet Nkomonde. “Wir müssen ländliche Krankenhäuser so ausrüsten, dass sie Covid-19-Patient*innen vor Ort zu behandeln können, denn wir gehen davon aus, dass es noch längere Zeit Fälle geben wird.”

Ungleichheit und Zusammenhalt

„In Regionen wie KwaZulu-Natal hat die Pandemie im Besonderen die enormen Ungleichheiten im Gesundheitssystem sichtbar gemacht,” sagt Dr. Rosie Burton, Spezialistin für Infektionskrankheiten bei Ärzte ohne Grenzen, die in den vergangenen Monaten in Krankenhäusern in drei verschiedenen Provinzen gearbeitet hat. Gleichzeitig seien in ländlichen Gebieten einige wirklich unglaubliche Initiativen entstanden.

Ihre Kollegin Dr. Liesbet Ohler, die in der Gegend in der Stadt Eshowe arbeitet, ergänzt: „Die Entfernungen zwischen den Kliniken sind auf dem Land größer, es gibt weniger medizinische Ressourcen und die Verwaltungssysteme sind oft komplex, um nur einige der Herausforderungen zu nennen. Strategien, die in Städten funktioniert haben, funktionieren hier nicht zwangsläufig.”

Kreativ zu denken ist in einem solchen Umfeld  essenziell, genau wie starke Partnerschaften auf allen Ebenen der Gesellschaft zu formen. „Denn einer Epidemie, die sich so schnell ausbreitet, kann man nur entgegenwirken, wenn alle an einem Strang ziehen,” sagt Ohler.

Gemeinsam vorbeugen

Bei Beginn der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus und den ersten gemeldeten Fällen in Südafrika war unseren Teams in KwaZulu-Natal bewusst, dass sie sofort Präventionsmaßnahmen ergreifen mussten.

 

Ein spontan einberufenes Krisenkomitee koordinierte die Vorkehrungen und stellte sicher, dass sie überall umgesetzt und eingehalten wurden. „Wir haben die Menschen aufgeklärt und unter anderem einen Plan für die Tage entwickelt, an denen die Rente ausgezahlt wird, da an diesen Tagen Tausende in die Stadt strömen“, sagt unser stellvertretender Projektkoordinator George Mapiye. Die muslimische Gemeinde vor Ort spielte dabei eine wichtige Rolle:

„Ärzte ohne Grenzen bat uns unser Soundsystem, auf dem wir den Azzan (Aufruf zum Gebet) ausrufen, für die Verbreitung von Gesundheitsinformationen nutzen zu dürfen”, erzählt Mehmood Deedat, Vorsitzender der muslimischen Gemeinde in Eshowe. „Wir haben gerne geholfen und selbst auch dafür gesorgt, dass die Menschen hier mit Nahrungsmitteln versorgt waren.“

„Lasst uns Leben retten, das ist die ganze Idee”, sagt Mehmood Deedat.

 

Der Kampf gegen die Stigmatisierung

„Als all das begann, bemerkten wir, dass viele der Gesundheitskräfte in Eshowe Angst hatten und die Menschen in der Umgebung auch große Sorge hatten, sich in der Klinik anzustecken“, berichtet die Ärztin Liesbet Ohler.

Deshalb sei es sehr wichtig, dass jede Klinik eine Strategie habe, um potenziell Infizierte von anderen Klinik-Besucher*innen zu trennen, so Ohler. Wir unterstützten das Gesundheitsministerium bei der Einrichtung von Anlaufstellen außerhalb der Kliniken, an denen alle, die eintreten wollen, auf Fieber und weitere Symptome für Covid-19 untersucht und mögliche Covid-19-Patient*innen isoliert werden.

 

Erschwert wird die Situation durch das Stigma, das Infizierte erfahren: Sabelo Zulu, Mitarbeiter einer lokalen Partnerorganisation, erklärt: „Es kommt vor, dass Menschen, die mit Verdacht auf Covid-19 zur Klinik kommen, aus Angst vor Ausgrenzung, die Screening-Fragen nicht ehrlich beantworten.” Deshalb haben wir Personal eingestellt, das die Menschen in der Schlange vor den Test- und Screening-Punkten beruhigt und informiert.

 

„Wir haben außerdem entschieden, die Tuberkulose-Beauftragten der Klinik, zu den Triage-Punkten zu schicken“, sagt Zulu. Eine strategische Entscheidung, denn die Symptome für Covid-19 und Tuberkulose sind teils sehr ähnlich.

Zusammenarbeit und Vertrauen

„Zu Beginn der Pandemie, gab es so viele Gerüchte. Die Menschen haben den Tod im Fernsehen gesehen und  als ihnen gesagt wurde, dass es Tests geben würde, dachten einige der Älteren, die Regierung käme, um sie mit dieser Krankheit zu infizieren, und haben sich versteckt,“ berichtet Bhekuyise Shandu, InDuna (traditioneller Führer der Zulu) und Inyannga (Heiler) in Mbongolwane. “Hier vertrauen und folgen die Menschen traditionellen Führer*innen und im Krankheitsfall gehen viele von uns zuerst zu traditionellen Heiler*innen.”

„Als Ärzte ohne Grenzen zum ersten Mal hierherkam, um HIV zu bekämpfen, arbeiteten wir zusammen. Sie informierten uns InDunas und schulten traditionelle Heiler*innen und wir haben dieses Wissen über HIV mit den Menschen geteilt”, sagt Shandu. Dieses Vorgehen hat sich auch jetzt bewährt: Im Mai haben wir Bhekuyise  Shandu und die lokalen Beschäftigten der Gesundheitsbehörde zu Covid-19-Präventionsmaßnahmen geschult.

Lernen aus der Pandemie

Da die Zahl der Covid-19-Fälle in Mbongolwane und Eshowe sinkt, haben wir mittlerweile die meisten Aktivitäten zur Unterstützung der lokalen Maßnahmen eingestellt und widmen uns wieder der Bekämpfung von Tuberkulose.

Für Dr. Ohler und unser Team in Eshowe hat die Covid-19-Pandemie gezeigt, dass unvorstellbare Leistungen möglich sind, wenn Menschen und Institutionen zusammenarbeiten.
„Tuberkulose ist seit Jahren weltweit die tödlichste Krankheit, doch die Fortschritte bei ihrer Bekämpfung kommen nur langsam voran”, sagt die Ärztin. “Für Covid-19 hingegen wurden innerhalb eines halben Jahres Schnelltests und mehrere Therapeutika entwickelt und wir werden wahrscheinlich in Rekordzeit über einen Impfstoff verfügen.“

Auf lokaler Ebene habe die Reaktion auf Covid-19 viele verschiedene Akteur*innen zusammengeführt, was zwar mitunter eine Herausforderung gewesen sei, aber das lokale Gesundheitssystem letztlich gestärkt und mehr auf die Bedürfnisse der Patient*innen ausgerichtet habe.