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Südsudan: Wenn das Hochwasser nicht mehr zurückgeht

Die Menschen im Südsudan sehen sich mit den schlimmsten Überschwemmungen der letzten Jahrzehnte konfrontiert. In der Stadt Old Fangak, Zufluchtsort für Tausende, schützen nur kleine Dämme aus Erde und Stöcken die Einwohner*innen vor den Wassermassen. Die Folgen der Klimakrise lassen den medizinischen und humanitären Hilfsbedarf der Menschen im Südsudan weiter steigen, während internationale Gelder und Nahrungsmittelrationen gekürzt werden. 

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Luftaufnahme von überfluteten Dörfern in der Nähe von Old Fangak im Südsudan.
Luftaufnahme von überfluteten Dörfern in der Nähe von Old Fangak im Südsudan.
© Florence Miettaux

20 Männer stehen hüfthoch im Wasser, schlagen Stöcke in den Boden und glätten Plastikplanen. Sie verstärken einen Erdwall, um ihre Häuser in der Stadt Old Fangak vor dem Hochwasser zu schützen. Die Deiche sind ein Projekt, dass bereits während der extremen Überschwemmungen der vorherigen Jahre begonnen wurde. Doch das Wasser geht kaum noch zurück bevor die nächsten Regenfälle kommen. 

Old Fangak liegt in einer abgelegenen Region im südsudanesischen Bundesstaat Jonglei. Hier liegen auch die Sudd-Sümpfe, eines der größten Feuchtgebiete der Erde. Es ist ein riesiges Netzwerk aus Flüssen, Sümpfen und Überschwemmungs-gebieten, dass an den Weißen Nil grenzt. Mehr als 6.000 Vertriebene aus umliegenden Dörfern sind in den vergangenen Monaten vor dem steigenden Wasser hierher geflohen. 

Old Fangak wird von den Bewohnern der Region als Zufluchtsort betrachtet. Wegen des seit 2013 andauernden Bürgerkrieges sind viele Menschen aus den Städten Bentiu oder Malakal in unsere Region geflohen, die jetzt überschwemmt ist.  

-Pareil Magany Yieh, Leiterin der Kommission für Soforthilfe und Wiederaufbau

Gesundheitsversorgung im Hochwassergebiet 

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Unsere medizinischen Teams im Krankenhaus in Old Fangak
Unsere medizinischen Teams im Krankenhaus in Old Fangak.
© Simon Rolin/MSF

Die Überschwemmungen begünstigen zahlreiche Infektionskrankheiten. „Sie erhöhen das Risiko für Lungenentzündungen, bakterielle Hautinfektionen, Durchfallerkrankungen, Cholera sowie Hepatitis A und E“, erklärt Léo Tremblay, unser Leiter der Abteilung Humanitäre Maßnahmen zu Klima und Umwelt. Allein zwischen Januar und August 2024 impften unsere Teams im Landkreis Fangak mehr als 12.500 Frauen gegen Hepatitis E. „Zudem verursacht das viele Wasser einen Anstieg der Moskitopopulationen, was wiederum zur Ausbreitung von Dengue-Fieber, Malaria und Gelbfieber führt“, so Tremblay.  

Klimawandel in einem der größten Feuchtgebiete der Welt 

Überschwemmungen sind Teil des Ökosystems des Sudd. Er liegt in einer Senke und dient als Reservoir für den Weißen Nil. In der Regenzeit füllt er sich mit Wasser und in der Trockenzeit fließt es teilweise in den Fluss ab. Das überschwemmte Gebiet beträgt zwischen 30.000 km² und 130.000 km² - je nach Regenfällen und dem Füllstand des Viktoriasees in Uganda, der das Wasser über den Weißen Nil in den Südsudan bringt.  

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Karte der Region
Karte der Region.
© MSF

Der Südsudan ist das Land, das am stärksten durch den Klimawandel gefährdet ist und gleichzeitig am wenigsten in der Lage ist, seine Folgen zu bewältigen und sich an sie anzupassen. Langfristige Klimaprojektionen sagen mehr Niederschläge in mehreren Regionen des Südsudan und flussaufwärts des Viktoriasees voraus. „El Niño und der positive Dipol des Indischen Ozeans, insbesondere wenn sie gleichzeitig auftreten, beschleunigen diesen Trend innerhalb eines kurzen Zeitraums“, erklärt Tremblay. „Wenn diese Ereignisse eintreten, bringen sie mehr Niederschläge flussaufwärts.“  

Gleichzeitig leidet das Land häufig unter Dürre. In den vergangenen 40 Jahren hat der Südsudan lange Dürreperioden erlebt, von denen mehr als 50 Prozent des Landes betroffen waren. „Nach langen Dürreperioden wird der Boden noch härter und weniger durchlässig, was den Wasserabfluss noch mehr behindert. Sobald wieder Regen fällt, führt dies dann zu Überschwemmungen“, so Tremblay. In den letzten 20 Jahren hat sich die Häufigkeit von Überschwemmungen, Erdrutschen und Schlammlawinen verdoppelt.

Unterfinanzierte humanitäre Hilfe 

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 Ein Mann steht auf einem Kanu in der Nähe der Stadt Old Fangak.
Ein Mann steht auf einem Kanu in der Nähe der Stadt Old Fangak.
© Simon Rolin/MSF

Nach Angaben der UN sind derzeit 735.000 Menschen von Überschwemmungen betroffen in fast der Hälfte der 79 Bezirke des Südsudan. Der Bedarf an humanitärer Hilfe steigt, während die Mittel gekürzt werden. Momentan kann gerade einmal die Hälfte des internationalen Humanitären Hilfsplans  mit den vorhandenen finanziellen Mitteln gedeckt werden. In bestimmten Gebieten hat daher das Welternährungsprogramm der UN begonnen, die Nahrungsmittelrationen zu halbieren und muss Nothilfe auf die am stärksten gefährdeten Menschen konzentrieren. 

Die Rate der Mangelernährung im Südsudan gehört zu den höchsten der Welt. Ohne zusätzliche Mittel sind lebenswichtige Maßnahmen für Kinder und Mütter, die an Mangelernährung leiden, gefährdet.

- Yusra Shariff, unsere Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten im Südsudan.