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Gefahren für Frauen und Mädchen auf der Flucht

Salmas Geschichte: Die Hälfte der syrischen Bevölkerung wurde vertrieben. Zu den betroffenen Menschen gehört auch Salma und ihre Familie. Sie floh mit ihren Kindern und ihrem Schwager aus der Umgebung von Damaskus in Richtung Süden nach Daraa und überquerte die Grenze nach Jordanien. Nach einem kurzen Aufenthalt im Flüchtlingslager Zaatari zog sie weiter nach Irbid. Im Video erzählt sie ihre Geschichte.

Mehr Frauen und Mädchen als je zuvor sind auf der Flucht oder leben als Vertriebene: Jüngsten Schätzungen zufolge sind es weltweit rund 32 Millionen. Ihre Gesundheit ist in dieser Situation aber stärker gefährdet, weil sie Frauen und Mädchen sind. Unterwegs oder fern ihrer Heimat erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen in der Schwangerschaft, sie sind weniger geschützt und daher einem größeren Risiko sexueller Gewalt ausgesetzt. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass ihr psychisches Wohlergehen leidet, ist erhöht. Deswegen hat Ärzte ohne Grenzen die Hilfe für vertriebene Frauen und Mädchen ausgeweitet. Wir zeigen das an einigen konkreten Beispielen.

Nur wenn die Frauen während ihrer oftmals langen Flucht und Vertreibung Hilfe erhalten, können wir das Risiko verringern, dass sie krank werden, leiden oder gar sterben. Sie benötigen dringend Unterstützung in fünf Schlüsselbereichen: Geburtshilfe, Familienplanung, medizinische Versorgung und psychologische Betreuung nach sexueller Gewalt, sichere Schwangerschaftsabbrüche und psychosoziale Betreuung.

Mit psychosozialer Hilfe die Kräfte von Menschen mobilisieren

Die Zahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, ist in den vergangenen Jahren gestiegen – entsprechend sind auch mehr Frauen und Mädchen unterwegs. Die Reiserouten sind komplizierter und die Aufenthaltsorte vielfältiger geworden: Insbesondere Frauen und Mädchen sind immer wieder neuen Unwägbarkeiten und unsicheren Situationen ausgesetzt. Es besteht die Hoffnung, dass Frauen an einem neuen Ort mehr Sicherheit finden, so beispielsweise, wenn sie vor Gewalt und Krieg fliehen. Möglicherweise treten aber auch alte problematische Erfahrungen an einem neuen Ort wieder ins Bewusstsein, wenn es dort neue Unwägbarkeiten gibt.

So benötigen z.B. nach Jordanien geflohene syrische Frauen all ihre inneren Ressourcen, um mit der komplexen Verantwortung ihrer neuen Situation fertig zu werden. Sie werden möglicherweise damit kämpfen, ihre Familie finanziell zu unterstützen oder die Kinder als übrig gebliebener Elternteil zu unterstützen, wenn sie ihren Ehemann verloren haben. Frauen geben übrigens auch oft den Bedürfnissen ihrer Familien Vorrang vor ihren eigenen:  Sehr oft sind sie es, die in eine unserer Kliniken kommen, um vom Leid ihrer Kinder zu berichten.

Ein neues Gefühl von Stärke entwickeln

In Jordanien leisten wir beispielsweise psychosoziale Hilfe für Kinder und ihre Mütter in Irbid und Mafraq. Ein aus Frauen bestehendes Team hilft ihnen zu verstehen, was mit ihnen passiert und effektiv darauf zu reagieren. Mit einem neuen Gefühl von Stärke können dann geflüchtete Frauen und ihre Familien wieder in einen Modus finden, in dem es nicht nur ums Überleben geht, sondern darum, ihre Situation zu verändern.

Frauen und vor allem Mädchen benötigen besondere medizinische und psychologische Hilfe und Schutz. An vielen Punkten ihrer Flucht oder Vertreibung wird ihnen diese Unterstützung aber fehlen, was sie in ernsthafte Gefahr bringen kann. Wir versuchen, ihnen auch Wissen zu vermitteln. Wir hoffen, dass ihnen das etwas hilft, wenn sie ihre Reise – vielfach ins Ungewisse – fortsetzen müssen.

Müttersterblichkeit bekämpfen: Geburtsmedizinische Versorgung

Viele Frauen und Mädchen, die gezwungen sind, innerhalb oder außerhalb des eigenen Landes Schutz zu suchen, sind im reproduktiven Alter zwischen 15 und 45 Jahren. Ohne Zugang zu Routine-Untersuchungen sind schwangere Frauen und ihre Babys in solchen Situationen ohnehin gefährdet. Aber der Mangel an Behandlungsmöglichkeiten für Notfälle kann lebensgefährlich für sie werden.

Während einer Schwangerschaft auf der Flucht zu sein, kann das Risiko einer Fehl- oder Frühgeburt erhöhen. Dabei können auch Probleme ursächlich sein, die sich normalerweise lösen lassen: z.B. einen Blutmangel unter Kontrolle zu bringen oder eine Impfung gegen Tetanus zu verabreichen. Es gibt zudem Belege dafür, dass der Tod einer Mutter auch Auswirkungen auf die Überlebenschancen der hinterbliebenen Kinder haben kann.

Das Flüchtingslager Nduta in Tansania, ist ein Beispiel dafür, wie ein Netzwerk an Einrichtungen zusammenarbeitet: mobile Kliniken, Gesundheitsposten, unser Geburtskrankenhaus das Kibondo-Krankenhaus sind alle miteinander verbunden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Hilfsangebot für schwangeren Frauen und Mädchen möglichst breit und an allen Orten, wo sie sich aufhalten, verfügbar ist.

Familienplanung und Verhütung

In unserem Urban Day Care Centre in Athen, Griechenland, bieten wir Gesundheitsleistungen für vertriebene Frauen und Mädchen (und auch Männer) an, die in Athen leben oder sich dort auf der Durchreise aufhalten.

Für diejenigen, die bereits verhüten, kann eine überstürzte Flucht mit einer anschließenden langwierigen Reise leicht dazu führen, dass täglich einzunehmende Pillen verloren gehen oder aufgebraucht werden, oder dass der Schutz einer länger vorhaltenden Injektion ausläuft.

Für andere, denen Verhütungsmaßnahmen aufgrund der Normen ihrer Gesellschaft oder durch das Gesundheitssystem verwehrt werden, kann der Zugang zu Verhütungsmaßnahmen und Familienplanung eine Chance sein, ihre Gesundheit angesichts großer Ungewissheit zu schützen. Sie brauchen vertrauliche medizinische Angebote. Ohne Verhütung riskieren Frauen und Mädchen zu jung, zu früh oder unter Bedingungen, die sie nicht freiwillig gewählt haben, schwanger zu werden.

Versorgung für Überlebende von sexueller Gewalt

Die Menschen, die die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf dem gemeinsam von Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediteranée betriebenen Rettungsschiff Aquarius auf dem Mittelmeer retten, haben oftmals schlimme Erlebnisse hinter sich. Im eigens eingerichteten „Schutzraum für Frauen“ des Schiffs berichten Frauen und Mädchen regelmäßig von Vergewaltigungen und anderen Formen sexueller Gewalt. Im vergangenen Jahr waren fast zwei Drittel der Frauen und Mädchen an Bord allein Reisende und damit besonders gefährdet.Der zwei- oder dreitägige Aufenthalt auf dem Schiff ist eine kurze aber dennoch wertvolle Gelegenheit, sie auf Risiken hinzuweisen und sie über Angebote zu ihrer Unterstützung und zu Schutzmöglichkeiten auf dem Festland zu informieren.

Sexuelle Gewalt ist ein medizinischer Notfall, der innerhalb kürzester Zeit behandelt werden muss, um eine ungewollte Schwangerschaft oder mögliche Infektionen wie mit HIV zu verhindern. In vielen Fällen ist das Präventionsfenster bereits geschlossen, wenn Hilfe in Anspruch genommen wird. Dennoch gibt es auch dann noch Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen. Psychologische Unterstützung ist wesentlich für die Aktivierung von Resilienz und Genesung. Aber aufgrund von Stigmatisierung, Scham oder wegen überwältigender anderer Belastungen nehmen Opfer von Gewalt solche Angebote möglicherweise nicht in Anspruch.

Umgehen mit ungewollter Schwangerschaft

Unsichere Schwangerschaftsabbrüche verursachen 13 Prozent aller Fälle von Müttersterblichkeit. Mit sicheren Schwangerschaftsabbrüchen können diese Todesfälle verhindert werden.
In Griechenland bietet das Gesundheitssystem zum Beispiel Schwangerschaftsabbrüche auf Anfrage an. Aber die Ressourcen reichen nicht dafür aus, um immer rechtzeitig auf diesen und anderen medizinischen Bedarf von Frauen auf der Flucht oder Migrantinnen zu reagieren. Das Athens Day Care Centre hilft, einige der so entstehenden Lücken in der Gesundheitsversorgung zu füllen.