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„Dies war nicht mein letzter Einsatz“

130 Meter immer wieder im Kreis joggen. Arbeiten im aufgeheizten Zelt. Mit einer kleinen Bohrmaschine einem Baby eine Knochenkanüle setzen. Der Arzt Johannes Diers musste sich bei seinem ersten Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen an manches erst gewöhnen. Ein Erfahrungsbericht:

An der Eingangstür vorbei, aufpassen bei der Hecke, wo es immer eng wird, an der Terrasse entlang und zurück. Immer wieder bin ich 130 Meter im Kreis gejoggt – in dem kleinen Garten rund um unser umzäuntes Wohnhaus. Irgendwann hatte ich meine 10 Kilometer zusammen. So sah mein Sportprogramm in den ersten Monaten meines Einsatzes in der Zentralafrikanischen Republik aus.

Da die Sicherheitslage angespannt war, mussten wir nicht nur bei der Freizeitgestaltung improvisieren. Mittlerweile hat sich die Lage zum Glück gebessert. Auch zur Klinik dürfen wir nun zu Fuß gehen. Anfangs mussten wir die zwei Kilometer immer mit dem Geländewagen gefahren werden. Ich genieße die neu gewonnene Freiheit sehr.

40.000 Menschen auf der Flucht

Doch mir ist auch bewusst, dass ich in einem Land arbeite, das seit Jahren von Kämpfen und Gewalt geprägt ist. Ich bin in der Stadt Bria auf der Kinderintensivstation des Provinzkrankenhauses im Einsatz. Ganz in der Nähe gibt es ein Vertriebenenlager, in dem mehr als 40.000 Menschen Zuflucht finden. Es heißt PK 3 und ist das größte Lager in der Zentralafrikanischen Republik.

Wir behandeln hier sehr viele Kinder, die sich Verbrennungen zugezogen haben. Sie stürzen beim Spielen in die noch heiße Asche der Feuerstellen oder beim Kochen an den kleinen Öfen kippt das heiße Wasser um.

Nüchterne Analyse: Verbände kommen zuerst

Meist kümmere ich mich morgens als erstes um die kleinen Verbrennungspatient*innen. Denn für die Verbandswechsel müssen wir die Kinder narkotisieren, sonst sind die Schmerzen zu stark. Und für die Narkose müssen die Kinder nüchtern sein. Das ist morgens, vor dem Frühstück, am angenehmsten für die Kleinen.

Danach beginnen wir mit der Visite. Mit dem Pflegeteam und einem Übersetzer schauen wir gemeinsam nach unseren kleinen Patient*innen. Immer, wenn ein Kind gesund nach Hause gehen kann, freut mich das sehr.

Während der Regenzeit gab es hier fast nur ein Thema: Malaria. Vor allem Kinder bedroht diese parasitäre Infektion. An keiner anderen Krankheit sterben hier so viele Kinder unter fünf Jahren.

Doch warum eigentlich?

Was passiert bei Malaria?

Auch der drei Monate alte Dieu-Beni war komatös, als seine Mutter ihn zu uns brachte. Der Weg hatte lang gedauert, denn es gibt hier viel zu wenige Gesundheitseinrichtungen – eine Folge, der anhaltenden Unruhen und Kämpfe.

Der Junge hatte sich tagelang immer wieder erbrochen und Durchfall gehabt, beides Begleiterscheinungen von Malaria. Er war sehr schwach und schwer dehydriert. Das große Problem bei Malaria aber ist: Die Parasiten zerstören die roten Blutkörperchen, welche den Sauerstoff im Blut transportieren. Dieu-Beni hatte kaum noch rote Blutkörperchen, sodass akute Lebensgefahr bestand.

Kleine Bohrmaschine, die Leben rettet

Unser Team in der Notaufnahme erkannte sofort, wie es um den kleinen Jungen stand, bestellte eine Blutkonserve und verlegte ihn zu uns auf die Kinderintensivstation. Wir gaben ihm Sauerstoff. So schnell es ging, brauchte er aber auch die Blutkonserve, ein Malaria-Medikament und vor allem Flüssigkeit.

Dazu versuchten die Pflegekräfte und ich einen Venenzugang zu legen, doch aufgrund des Schockzustands (ausgelöst durch den extremen Flüssigkeitsmangel) war es uns nicht möglich, seine ohnehin schon winzigen Venen zu punktieren.

Uns blieb nur noch die Möglichkeit, mit einer kleinen Bohrmaschine eine Knochenkanüle zu setzen. Dafür ist viel Fingerspitzengefühl nötig – gerade bei einem so kleinen Säugling. Mein zentralafrikanischer Kollege Marcelin*, ein erfahrener Pfleger, half mir beim Eindrehen der Nadel. Dann endlich bekam Dieu-Beni alles, was sein Körper brauchte.

Keine zwei Stunden später ging es ihm wieder gut. Er saß auf dem Schoß seiner Mutter und konnte bereits an ihrer Brust trinken. Wir waren erleichtert, es war nochmal gut gegangen.

Von Vorfreude und Flexibilität

Diese Geschichte zeigt, wie gut hier die Räder ineinandergreifen: von der Notaufnahme, über das schnelle Liefern der Blutkonserve bis zur Teamarbeit auf der Kinderintensivstation.

Ich bin froh, dass ich Marcelin und die anderen Pflegekräfte mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen an meiner Seite habe. Ich profitiere immer wieder von ihrer langjährigen Erfahrung bei der Behandlung von Malaria.

Meine Station, die Kinderintensivstation, und die Allgemeinstation sind übrigens noch in Zelten untergebracht. Darin kann es ziemlich heiß werden. Das ist für uns als medizinisches Team vielleicht manchmal unangenehm, aber vor allem für kranke und fiebernde Kinder nicht optimal. Gerade bauen unsere Logistiker*innen ein neues Gebäude, in dem wir die Kinderintensivstation bald unterbringen werden. Darauf freuen wir uns schon sehr.

Immer wieder wird mir hier klar: Die Arbeit mit Ärzte ohne Grenzen bedeutet, dass man flexibel sein muss. Wir haben zum Beispiel kaum Labortests, kein Ultraschallgerät und keine Beatmungsmaschine. Doch ich habe gelernt, dass es oft gar nicht viel braucht, um effektiv zu helfen. Und auch wenn unsere Arbeit oft sehr anstrengend ist, bekommen wir viel zurück. Das spüren wir alle, und das schweißt uns als Team zusammen.

Bald sind meine sechs Monate hier vorüber. Ich freue mich auf zu Hause, meine Familie und meinen Freundeskreis. Ich bin mir aber auch sicher: Ich werde mein Team hier vermissen. Dies war nicht mein letzter Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen.

Sie interessieren sich für eine Mitarbeit in einem Projekt von Ärzte ohne Grenzen? Hier finden Sie weitere Informationen.

* Ich habe den Namen geändert, da mein Kollege anonym bleiben wollte.