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Anästhesie: Operationen sollten kein Luxus sein

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Portrait Malik Omani

Malik Omani

Ich arbeite seit 2009 bei Ärzte ohne Grenzen und war unter anderem in Mali, im Irak und in der Demokratischen Republik Kongo im Einsatz. Heute bin ich Berater für Anästhesie und unterstütze die Kolleg*innen in unseren Projektländern weltweit auf vielfältige Weise. Zum Beispiel halte ich unsere Leitfäden auf dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens – sie sind eine Art Handbuch für alle Anästhesist*innen im Einsatz. Ich sorge für Mindeststandards, die in unseren OPs erfüllt sein müssen, und ich schule unsere Mitarbeiter*innen vor Ort.

Stellen Sie sich vor, Sie benötigten dringend eine Operation, aber es gibt keine Chance, dass Sie diese erhalten. Sie wären vielleicht verzweifelt - wütend - traurig? Wir bringen chirurgische Hilfe an genau diese Orte.

90 Prozent der Menschen haben keine Chance auf Hilfe 

Für fünf Milliarden Menschen weltweit ist dies Realität. Neun von zehn Menschen in Ländern, die über wenig Ressourcen verfügen, haben laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) keinen Zugang zu einem chirurgischen Eingriff. 

Für mich sind Anästhesie und chirurgische Eingriffe ein Herzensthema – denn diese Hilfe ist überlebenswichtig. 

Mit Ärzte ohne Grenzen bin ich Teil eines Teams, das chirurgische Hilfe an genau diese Orte bringt. Unsere Operationen retten zahlreichen Menschen das Leben. Anderen ermöglichen unsere Eingriffe, in ihr Leben zurückzufinden. Während meines ersten Einsatzes mit Ärzte ohne Grenzen in Mali im Jahr 2009 kamen beispielsweise Frauen in unsere Klinik, die ausgegrenzt lebten. Sie waren ohne Lebensmut, lebten isoliert am Rande der Dörfer. 

Es war sehr bedrückend, ihre Verzweiflung und ihre Trauer zu spüren. 

Die Frauen litten unter sogenannten Vaginalfisteln. Diese entstehen, wenn es zu Komplikationen unter der Geburt kommt und das Baby lange im Geburtskanal steckenbleibt. Der Fötus drückt auf das weiche Gewebe, das dadurch abstirbt. Es bildet sich eine unnatürliche Öffnung – die Fistel. 

Dieses Leid ist vermeidbar

Hätten die Frauen die Chance auf eine medizinische Betreuung unter der Geburt und einen Kaiserschnitt gehabt, wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Doch damit nicht genug: Viele müssen wiederholt darunter leiden, dass ein chirurgischer Eingriff für sie unerreichbar ist. Denn die Fistel sorgt dafür, dass die Frauen stetig Urin verlieren. 

Die furchtbare Folge: Sie werden aufgrund ihres Geruches verstoßen. Viele leben wie Aussätzige, müssen oftmals betteln, um zu überleben.  

Chirurgische Eingriffe können ein Leben verändern.

In Mali habe ich erlebt, was dies konkret bedeutet. Mit meinem Team operierten wir rund 80 Frauen, die an einer Geburtsfistel litten.  

Meine Aufgabe als Anästhesist war es, die Frauen zu untersuchen, ihre Anamnese aufzunehmen und alles für die Narkose vorzubereiten. Wir setzten eine Regionalanästhesie ein. Das heißt, wir betäubten mit einer Spinalanästhesie nur den Unterleib. Denn dies ist schonender für die Patientinnen. 

Ins Leben zurück

Nach dem Eingriff kümmerte ich mich um die Schmerztherapie und gemeinsam mit einem physiotherapeutischen Team darum, dass die Frauen wieder mobil wurden und ihren Beckenboden trainierten. Nach zwei bis vier Wochen konnten wir sie entlassen. Sie lachten, tanzten und klatschten – auch dieser Tanz ist ein Teil der Therapie. Die Lebensfreude, die man dabei spürt, ist unbeschreiblich. Für diese Frauen beginnt nach der Operation ein neues Leben. Sie können in ihre Dörfer und zu ihren Familien zurückkehren. 

Meine Erfahrung zeigte mir zweifach, wie wichtig es ist, dass wir chirurgische und anästhetische Hilfe zu einem zentralen Thema machen.

Denn ein Kaiserschnitt hätte Leid verhindern können, genauso wie die Fisteloperationen es dann – für viele erst nach Jahren der Ausgrenzung – beendeten. 

24 Stunden ins Krankenhaus getragen 

Seit meinem ersten Einsatz habe ich immer wieder erlebt, wie Ärzte ohne Grenzen sich stark macht für seine Patient*innen weltweit. Ich war in Kriegsgebieten wie Mossul im Irak tätig, erlebte in der Demokratischen Republik Kongo wie eine junge Frau 24 Stunden von ihren Eltern auf einer Holztür ins Krankenhaus getragen wurde. Wir operierten ihren entzündeten Blinddarm und sie überlebte knapp. 

Unseren Patient*innen stehen wir jährlich in mehr als 100.000 Operationen zur Seite.

Es ist und bleibt viel zu tun, damit mehr Menschen weltweit die medizinische Versorgung erhalten, die sie dringend benötigen.

Sie sind Anästhesist*in?

... und können sich vorstellen, unser Team zu verstärken und medizinische Hilfe dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten gebraucht wird? Hier finden Sie alle wichtigen Informationen zum Thema Mitarbeit und Ansprechpersonen für Ihre weiterführenden Fragen.