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Kenia: Ein Tag im Einsatz gegen Covid-19

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Foto von der Ärztin Sayontonee Ghosh, sie steht zentral im Bild und lächelt

Sayontonee Ghosh

Ich bin Ärztin für Atemwegsmedizin und komme aus Australien. Mit Ärzte ohne Grenzen war ich in Homa Bay, Kenia, im Einsatz.

Tap, tap, tap – durch das Dach des Zeltes dringt immer mehr Wasser ein, und der Sturm draußen wird zum Sturm drinnen. Gestern noch waren es dreißig Grad bei 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Jetzt mit dem Unwetter, das stärker ist als vorhergesagt, sind alle in Eile, die Patient*innen in die drei anderen Zelte zu bringen - unsere Covid-19-Station. 

Die meisten der Patient*innen erhalten Sauerstoff, ihr Zustand ist schlecht.  

Homa Bay 

Homa Bay ist ein verschlafenes Städtchen am Viktoriasee. Für vielen Menschen, die hier leben, ist der See die Haupteinnahmequelle. 

Als sich im Dezember 2021 die Omikron-Variante des Coronavirus verbreitete, waren hier nur 6 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Wir unterstützten in Homa Bay bereits vorher das Krankenhaus. Ich gehöre zu einem neuen Team, das speziell für die Behandlung von Covid-Patient*innen hier ist. 

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 Mensch steht in geflutetem Behandlungs-Zelt
Als ein unerwartet starker Sturm ein Leck in einem der Zelte der Covid-19-Einheit im Krankenhaus von Homa Bay in Kenia verursachte, musste das Team schnell handeln, um sicherzustellen, dass Patient*innen, Unterlagen und Vorräte sicher in die benachbarten Stationen gebracht wurden.
© Sayontonee Ghosh/MSF

Alle packen an 

Bei strömendem Regen joggt unser medizinischer Leiter in voller Schutzausrüstung (PSA) vorbei, er schiebt einen Sauerstoffapparat, der zu einem Patienten gehört: Zwei Krankenschwestern schieben dessen Bett so schnell es geht Richtung trockenes Zelt.   

In der Zwischenzeit bewaffnen sich die Reinigungskräfte mit Wischmopps und Eimern, das Logistikteam flickt das Zelt und weitere Krankenschwestern bringen eilig wichtige Unterlagen und Geräte in Sicherheit.

Nachdem alle Patient*innen verlegt sind, sind wir vollkommen durchnässt. Und es ist Zeit für unsere Visite. 

Covid-19 ist für sich schon eine schwere Erkrankung 

19,6 Prozent der Menschen im Landkreis Homa Bay sind an HIV erkrankt - mehr als in jedem anderen Landkreis Kenias.

Außerdem gibt es verhältnismäßig viele Tuberkulose–Patient*innen und auch Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Schlaganfälle oder Herzkrankheiten treten immer häufiger auf.  

Diese Kombination von Infektionskrankheiten und unbehandelten chronischen Gesundheitsproblemen sowie die niedrige Covid-19-Impfquote führen dazu, dass wir in der Covid-Station einige sehr kranke Patient*innen haben, deren Versorgung schwierig ist.  

In anderen Fällen haben Patient*innen nur schwache Atemwegssymptome, können aber, weil sie Covid-19 positiv sind, zur Behandlung ihrer anderen Gesundheitsprobleme auf der regulären Station aufgenommen werden.  

Peter* 

Da ist zum Beispiel Peter, ein älterer Mann, der mit Atemnot eingeliefert wurde. Er ist HIV-positiv, wobei die Bluttests zeigen, dass er seine Medikamente regelmäßig einnimmt und ein geringeres Risiko für andere Infektionen hat. 

Peter trägt eine Gesichtsmaske, die an zwei Sauerstoffkonzentratoren angeschlossen ist. Wie viele Covid-Patient*innen hat er ein Blutgerinnsel in der Lunge entwickelt, das zusammen mit jahrzehntelangem Rauchen seine Atemreserven noch mehr belastet. 

Wir befürchten, dass er mehr Sauerstoff benötigt - was eine spezielle Maske und ein Gerät namens CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) oder eine Intubation erfordern würde. Das nächstgelegene Krankenhaus, das diese Behandlung anbietet, ist jedoch zwei Stunden entfernt, und Peter und seine Familie müssten sowohl das Geld für den Transport als auch die Krankenhausrechnungen aufbringen.  

Millicent* 

Millicent kam mit Kopfschmerzen zu uns und wurde sowohl auf Covid-19 als auch auf HIV-positiv getestet.  

Ihre Bluttests deuten darauf hin, dass sie bereits früher mit HIV diagnostiziert wurde, aber nur zeitweise Medikamente dagegen einnahm. Das Virus ist deshalb nicht unterdrückt, so dass sie einem erhöhten Risiko für andere Infektionen ausgesetzt ist.   

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen deuten auf eine schwere Pilzinfektion des Gehirns hin. Sie erhält eine Behandlung sowohl gegen die Pilzinfektion als auch gegen bakterielle Meningitis. 

Millicent führt ein kleines Unternehmen. Während wir uns unterhalten, denke ich darüber nach, wie wir auf sie wirken müssen, mit unseren von weißem Plastik bedeckten Augen, Nasen und Mündern - wie Außerirdische. 

Mary* 

Mary wurde mit dem Krankenwagen auf unsere Covid-Station eingeliefert. Ihr Blutzuckerspiegel ist sehr hoch. Sie erzählt, dass bei ihr vor einigen Jahren Diabetes diagnostiziert wurde und sie sich seit einem Jahr Insulin spritzt. 

Mary benötigt zur Behandlung ihrer Covid-19-Erkrankung keinen Sauerstoff, aber ihr Bluttest sagt uns, dass ihr Diabetes unkontrolliert ist. Wenn das so bleibt, führt das zu Nierenversagen, Augen- und Nervenschäden sowie einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.  

Nachdem sie ihre Krankheit jahrelang allein und ohne regelmäßige medizinische Unterstützung bewältigt hat, glaubt Mary nicht, dass es möglich ist, ihre Krankheit unter Kontrolle zu bringen. Im Laufe der Woche passen wir ihre Insulindosis an und erklären ihr, dass das Medikament kühl gelagert werden muss, um wirksam zu sein. Mary und ihre Mutter planen, es im Kühlschrank eines Nachbarn zu lagern, wenn sie nach Hause kommen.  

Es war ein langer Tag 

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Zelt der Covid-19 Station in Homa Bay
Eines unserer Zelte in Homa Bay, in welchem wir Patient*innen behandelten, die bereits Vorerkrankungen hatten und sich zusätzlich mit Covid-19 infiziert haben.
© Sayontonee Ghosh/MSF

Insgesamt betreuen wir achtzehn Patient*innen in den Zelten. Auf unserer Covid-19-Intensivstation liegen weitere zehn Patient*innen in kritischem Zustand. Die meisten von ihnen sind noch nicht gegen Covid-19 geimpft. Nicht alle haben Atemwegssymptome, aber bei allen wirkt sich die Covid-Erkrankung auf die Versorgung ihrer anderen Krankheiten aus, da diese nun schlechter diagnostiziert und behandelt werden können. 

Während es weiter regnet, legen wir unsere Schutzkleidung ab, und die Leiterin der Krankenpflege organisiert einen warmen Tee. Es war ein langer Tag. 

Morgen wird wieder die Sonne scheinen und wir werden mit verschwitzten Gesichtern und beschlagenen Brillen herumlaufen, aber für heute sind wir fertig.  

Epilog 

Dieser Ausbruch von Covid-19 war die fünfte Welle in Kenia und dauerte etwa fünf Wochen an. Ende Januar 2022 konnten wir die Zelte abbauen. Als ich diesen Bericht im April verfasst habe, lag die Impfquote im Land bei gerade einmal 12 Prozent. Die nächste Covid-Welle wird voraussichtlich bald beginnen.  

Peter* benötigte eine vierwöchige stationäre Behandlung mit langsamer Entwöhnung vom Sauerstoff. Einen Monat nach seiner Entlassung kehrte er zur Nachuntersuchung zurück. Zu sehen, wie er lächelnd hereinkam, bleibt einer der Höhepunkte meiner Zeit in Homa Bay. 

Millicent* ging es in den folgenden Tagen immer schlechter. Sie erlitt einen Herzstillstand und wir konnten trotz Wiederbelebungsmaßnahmen nichts mehr für sie tun. 

Mary* kam nach ihrer Entlassung in die Klinik zurück - mit deutlich besseren Blutzuckerwerten. Sie wird noch sechs Monate lang weiter bei uns behandelt, danach wird sie in der Nähe ihres Dorfes betreut werden. 

 

*Namen geändert.