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Von Afghanistan nach Sierra Leone: Meine Reise mit Ärzte ohne Grenzen

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Porträtfoto Arif Sohail, Logistiker

Arif Sohail

Ich bin Logistiker und arbeite seit zehn Jahren für Ärzte ohne Grenzen – zunächst in meiner Heimat Afghanistan, später in Nigeria, Sierra Leone und Kenia.

Als ich meinen ersten Job für Ärzte ohne Grenzen im Ausland antrat, wusste ich, dass ich eine Menge lernen würde. Denn bei jedem Einsatz sind die Bedingungen vor Ort völlig andere, ob die medizinischen Bedürfnisse oder die Arbeitsweise. Es kam noch etwas anderes hinzu: Ich beschloss, kochen zu lernen.

Die Arbeit hinter den Kulissen

Ich komme ursprünglich aus Chost im Südosten Afghanistans. Ich wurde 1988 in eine Großfamilie mit 27 Mitgliedern geboren. Fast mein ganzes Leben lang hat es in meinem Land Krieg gegeben.

Dort, in meiner Heimatstadt Chost, begann meine Karriere mit Ärzte ohne Grenzen. Mit Anfang 20 trat ich eine Stelle im logistischen Team in einem Mutter-Kind-Krankenhaus an – eine der Kliniken der Organisation mit den meisten Geburten weltweit. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben dort rund 10.000 Frauen entbunden.

Ich habe schnell gelernt, wie wichtig das logistische Team für die Arbeit einer humanitären Organisation ist. Wir sorgen dafür, dass alle Medikamente, benötigten medizinischen Geräte und Materialien - einfach alles - rechtzeitig vor Ort ist. Wenn ein Chirurg ein Skalpell braucht oder ein Frühgeborenes Sauerstoff benötigt, darf es keinerlei Verzögerung geben.  

Mit fünf Töchtern in Chost

Ich bin Vater von fünf Töchtern. Meine älteste Tochter ist bald 12 Jahre alt, die Jüngste ist fast zwei.  
Vier von ihnen gehen schon zur Schule. Alle meine Kinder wurden in unserem Krankenhaus in Chost geboren. Ärzte ohne Grenzen gehörte also bereits zu meinem Leben, bevor ich selbst Teil des Teams wurde.

Wie andere Afghan*innen auch, haben wir durch die aufeinanderfolgenden Kriege Schwieriges durchgemacht. Dabei ist das Leben in Chost besser als in anderen Provinzen, etwa was die Sicherheit und die Wirtschaftslage betrifft. Dennoch sind viele Menschen ins Ausland gegangen, um dort zu arbeiten und ihre Familien in Afghanistan dadurch besser finanziell unterstützen zu können.

Als Vater ist es meine Verantwortung, für meine Töchter zu sorgen, so dass sie studieren und ein gutes Leben führen können. Also habe auch ich Afghanistan verlassen, um meine Familie zu unterstützen. Für unsere Organisation zu arbeiten macht es mir möglich, anderen Menschen zu helfen, mich beruflich weiterzuentwickeln und zudem mehr über andere Kulturen und Gemeinschaften zu erfahren.

International im Einsatz

Nach meiner Arbeit in dem Mutter-Kind-Krankenhaus in Chost wurde ich zum Berater unseres zentralen Lagerzentrums in Kabul befördert. Später unterstützte ich kurzzeitig das Team in Nigeria – eine Erfahrung, die mich inspirierte: Vor drei Jahren bewarb ich mich für meinen ersten internationalen Einsatz als Leiter unseres Warenlagers in Sierra Leone.  
 
Es folgte ein Einsatz in Kenias Hauptstadt Nairobi, wo wir eines der großen Logistikzentren weltweit betreiben. Ich half, Hilfsgüter und Ausrüstung an unsere Teams in 14 Ländern zu schicken, in Krankenhäuser ebenso wie in akute Noteinsätze.

Derzeit bin ich erneut in Sierra Leone im Einsatz. Hier bin ich für die gesamte Versorgungskette im Land verantwortlich: für die Beschaffung der Waren, den Zoll, den Transport und das Warenlager. Wir sind seit 35 Jahren in Sierra Leone tätig. Derzeit konzentrieren wir uns auf die medizinische Versorgung von Müttern und Kindern und auf die Behandlung von Tuberkulose.

Kochen verbindet

Wenn ich im Ausland arbeite, vermisse ich meine Familie, meine Freunde und mein Land. Ich verfolge die Entwicklungen in Afghanistan genau. Und ich vermisse das Essen.

Die meisten Männer in Afghanistan können nicht kochen. Als ich zum ersten Mal ins Ausland ging, fiel es mir schwer, mich gut zu ernähren. Aber seitdem ich regelmäßig unterwegs bin, gebe ich mein Bestes, um auf YouTube und von meinen Kolleg*innen kochen zu lernen. Es ist für uns alle nicht leicht, von unseren Familien getrennt zu sein. Aber wir versuchen, uns gegenseitig zu unterstützen. Eine Möglichkeit füreinander da zu sein ist es, etwas zu kochen und es mit dem Team zu teilen. Wenn ich Urlaub habe und zu Hause bin, koche ich mittlerweile auch gelegentlich. Meine Frau ist immer überrascht, wenn sie mich in der Küche sieht.

Ich gehe auch gerne nach draußen. Eine Partie Badminton hilft immer dabei, zusammenzukommen und gemeinsam Stress abzubauen.

Es gibt kein “normal”

Mittlerweile bin ich seit zehn Jahren bei Ärzte ohne Grenzen. Ich habe in verschiedenen Positionen gearbeitet und in verschiedenen Ländern gelebt. Eins habe ich dabei gelernt: “Normal” gibt es nicht.  

Manchmal kommt es zu einem akuten Notfall und uns erreichen viele Menschen auf einmal, die alle dringend Hilfe benötigen. Dann müssen wir schnell auf zahlreiche Anfragen nach Hilfsgütern reagieren. Manchmal haben wir Probleme mit der Einfuhr potenziell lebensrettender Ausrüstung, die Preise schwanken oder wir müssen sicherstellen, dass die auf den lokalen Märkten gekauften Waren unseren Standards entsprechen.

In Sierra Leone haben wir in diesem Jahr insgesamt 95 internationale Frachttransporte auf dem Luft-, See- und Landweg abgewickelt. Alle diese Transporte haben Material gebracht, das wir benötigen, um die Patient*innen angemessen versorgen zu können. Teil einer Organisation zu sein, die Menschen zur Seite steht, wenn sie Hilfe am dringendsten brauchen, motiviert mich sehr und gibt mir zusätzliche Energie.

Kabuli Pilao - eines meiner liebsten Kochrezepte

Kabuli Pulao ist ein afghanisches Reisgericht, das ich vor kurzem für meine Kolleg*innen in Sierra Leone gekocht habe. Folgende Zutaten brauchen Sie für Kabuli Pulao:

  • 4 Tassen langkörniger Basmatireis
  • 1 Tasse Sesamöl oder ein anderes Speiseöl
  • 2 große Zwiebeln
  • 1 kg Ziegen-/Rind-/Lammfleisch
  • 1 Esslöffel Salz
  • 1 Esslöffel Kreuzkümmel
  • 4 Tassen Wasser
  • 4 Karotten  
  • 1 Tasse Rosinen

Zuerst den Reis waschen und drei Stunden lang in kaltem Wasser einweichen. Zwei große Zwiebeln in Scheiben schneiden. Eine Tasse Öl in einer großen Pfanne erhitzen und die Zwiebeln fünf Minuten lang anbraten. Das Fleisch in die Pfanne geben und mit Salz abschmecken. Einen Esslöffel Kreuzkümmel hinzufügen und alles zusammen zehn Minuten lang braten.

Danach: Vier Tassen heißes Wasser hinzugeben. Mit einem Deckel abdecken und bei mittlerer Hitze 45 Minuten lang kochen, bis das Fleisch zart ist. In der Zwischenzeit die Karotten in dünne Scheiben schneiden.

Die Pfanne mit dem Fleisch vom Herd nehmen und die Hälfte des eingeweichten Reis darauf verteilen, so dass eine glatte Schicht entsteht, die das Fleisch vollkommen bedeckt. Danach die Karotten und eine Tasse Rosinen dazugeben und verteilen. Zum Schluss den Rest des Reises als letzte Schicht darüber verteilen.

Heißes Wasser hinzufügen, bis der Reis etwa einen halben Zentimeter hoch bedeckt ist. Zum Schluss den Deckel der Pfanne in ein sauberes Geschirrtuch wickeln und damit die Pfanne abdecken. Den Reis noch einmal 45 Minuten lang köcheln lassen, bis das Wasser vollständig aufgesogen ist.

Guten Appetit!