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HIV ist immer noch eine Epidemie

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Dr. Edwin Moshi

Dr. Edwin Moshi

Ich bin Arzt und arbeite für Médecins Sans Frontières in Mosambik. Ich bin hier der Ansprechpartner für HIV und Tuberkulose im Bezirk Cabo Delgado.

Es war eine dieser Wochen. Wir haben drei Kinder gleichzeitig stationär aufgenommen. Das jüngste ist erst ein Jahr alt und stark mangelernährt. Von den beiden anderen (6 und 7 Jahre alt) ist eines schwer an Malaria erkrankt und das andere leidet an Anämie. Die Großmütter, die die Kinder in unser Krankenhaus in La Palma im Norden Mosambiks gebracht haben, berichten, dass sie ihre Mütter verloren haben. Als wir sie auf HIV testen, sind alle drei HIV-positiv. 

Trotz guter Medikamente ist die Behandlung eine Herausforderung

Hier in Mosambik leben 2,4 Millionen Menschen mit HIV, das sind 13 Prozent der Bevölkerung - und junge Menschen sind besonders betroffen. Ich bin Arzt und der medizinische Ansprechpartner für HIV und Tuberkulose von Ärzte ohne Grenzen im Norden Mosambiks, im Bezirk Cabo Delgado. Ärzte ohne Grenzen ist derzeit die einzige Organisation, die hier HIV-Behandlung anbietet.

Heutzutage ist HIV gut behandelbar - mit so genannten antiretroviralen Medikamenten (ART). Allerdings ist es wichtig, dass die Menschen die ART ein Leben lang einnehmen. Die Viruslast wird dann so weit reduziert, dass das Virus nicht mehr übertragen werden kann und die Betroffenen ein relativ uneingeschränktes und gesundes Leben führen können. 

Das mag einfach klingen, ist aber hier in Mosambik, wie in so vielen anderen Ländern, eine Herausforderung. 

Meine Kollegen in Guinea, Pakistan, Malawi, Usbekistan, Indien und der Demokratischen Republik Kongo stehen bei der Behandlung von Menschen mit HIV vor den gleichen oder ähnlichen Herausforderungen wie wir hier in Mosambik.

Einerseits mangelt es vielerorts an einer angemessenen Gesundheitsversorgung. Vor allem in abgelegenen Regionen sind die Menschen stundenlang zu den wenigen Gesundheitsstationen unterwegs - oder es gibt gar keine medizinische Versorgung. Zum anderen erschweren immer wiederkehrende bewaffnete Konflikte in vielen Regionen die Sicherstellung einer kontinuierlichen Versorgung. Und die Gewalt verhindert, dass die Menschen Zugang zu medizinischen Versorgungsstrukturen haben. 

Bleibt HIV unbehandelt, ist es nur die erste Krankheit

Eine HIV-Infektion schwächt den Körper und das Immunsystem stark. Menschen, die das Virus in sich tragen, sind daher sehr anfällig für andere Krankheiten. Und ein Patient, der an mehreren Krankheiten gleichzeitig leidet, ist dementsprechend komplexer zu behandeln. Wie zum Beispiel bei einer Frau, die ich seit langem begleite, nennen wir sie Amina*. 

Amina* ist HIV-positiv und hat letztes Jahr ihren Sohn durch das Virus verloren. Sie hatte eine Behandlung mit ART begonnen, schaffte es aber nicht, die Medikamente kontinuierlich einzunehmen. Jetzt hat sie auch noch Tuberkulose. Da sie wieder schwanger ist, ist sie motiviert, ihre Behandlung von neuem zu beginnen. Wir behandeln also ihre Tuberkulose und ihr HIV - wenn alles gut geht, wird das Kind HIV-negativ geboren werden.  

Bei der Behandlung unserer Patient*innen kämpfen wir nicht nur gegen ein Virus, sondern gegen eine ganze Reihe von Faktoren: Es kursieren immer noch viele Fehlinformationen über HIV. 

Auch die Kultur unseres Landes spielt hier eine große Rolle, denn viele Patienten gehen zunächst zu einem traditionellen Heiler, bevor sie sich an einen konventionellen Arzt wenden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Infektion in der Gesellschaft stigmatisiert wird. Für die Betroffenen bedeutet sie oft Scham und Ausgrenzung, was wiederum schwerwiegende Folgen für die psychische Gesundheit der Menschen haben kann. Wir legen daher einen Schwerpunkt auf die Gesundheitsförderung, arbeiten eng mit den Gemeinden zusammen und haben auch Beziehungen zu traditionellen Heilern aufgebaut.

Am Anfang steht der Test

Vor jeder Behandlung ist eine Diagnose erforderlich. Obwohl es eine schnellere und einfachere Lösung gäbe, schicken wir die Proben der Kinder in das 419 Kilometer entfernte Labor in der Stadt Pemba. Manchmal dauert es Monate, bis unsere kleinen Patienten ihre Ergebnisse erhalten. Speziell für Kinder unter 18 Monaten empfiehlt die WHO einen PCR-Test, wie zum Beispiel den GeneXpert-Test des Pharmaherstellers Cepheid. Diese Tests sind einfach anzuwenden und liefern sehr schnell ein genaues Ergebnis für HIV, Tuberkulose, Hepatitis und viele andere Krankheiten. Allerdings sind sie hier in Mosambik kaum erhältlich, wie auch in vielen anderen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, weil die Tests und die Maschine, mit der sie durchgeführt werden, sehr teuer sind. 

Die HIV-Situation in Mosambik und anderen Ländern ist nicht unter Kontrolle, und vielerorts kämpfen wir noch immer mit einer Epidemie. Wie aber sollen wir das Virus eindämmen, wenn wir nicht einmal alle Menschen auf das Virus testen können? 

Wir tun, was wir können 

Um dies zu ändern, haben wir von Ärzte ohne Grenzen eine Kampagne gestartet, um den Hersteller Cepheid dazu zu bewegen, die Preise für seine GeneXper-Tests zu senken. Sie können uns dabei unterstützen: Unterzeichnen Sie jetzt die Petition!

In der Zwischenzeit tun mein Team und ich, was wir können. Gemeinsam mit unseren Kolleg*innen aus dem Gesundheitsministerium behandeln wir Menschen im Gesundheitszentrum in Palma, und verteilen Medikamente. Wir führen Nachuntersuchungen durch, informieren über HIV/Aids und bieten psychosoziale Unterstützung an. Und wir machen Menschen ausfindig, deren ART-Behandlung unterbrochen wurde, um ihnen eine kontinuierliche HIV-Versorgung zu ermöglichen. 

Ich habe das Glück und das Privileg, mit einem hochmotivierten Team zusammenzuarbeiten, das sich den vielen Herausforderungen stellt und jeden Tag Leben rettet. Und ich konzentriere mich auf das, was möglich ist - was noch getan werden kann. 

Wie die drei Kinder, die gerade hier angekommen sind. Sobald ihre Mangelernährung, Malaria und Anämie unter Kontrolle sind, werden sie ART erhalten, und wir werden ihren Großmüttern alle Informationen geben, die sie brauchen, um sicherzustellen, dass sie ihre HIV-Behandlung fortsetzen, wenn sie nach Hause zurückkehren und ihre Medikamente jeden Tag einnehmen.