Blutspenden rettet Leben
“Dogara, wir haben einige Patient*innen, die dringend Blut benötigen. Kannst du uns dabei helfen?”, fragte Arnold, der das Labor im Krankenhaus in Ngala leitet. Das war 2017. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits eine Blutbank eröffnet, aber was fehlte, war das Bewusstsein für das Blutspenden in der Gemeinde.
Als wir im Jahr zuvor unsere Arbeit in Ngala begannen, hatten die Menschen wenig Zugang zu institutioneller medizinischer Versorgung und nutzten stattdessen traditionelle Heilverfahren. Viele von ihnen waren verständlicherweise verunsichert, ob sie unsere Klinik aufsuchen sollten.
Unser Team für gesundheitliche Vorsorge hat hart gearbeitet, um sich das Vertrauen der Menschen zu verdienen und mit der Zeit kamen immer mehr Patient*innen zu uns. Wir haben mit den Gemeinden zusammengearbeitet, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie wichtig Impfungen für Kinder sind und wie wichtig es ist, dass Mütter zur Entbindung herkommen.
Nicht genügend Blut
Die Blutspende war jedoch eine große Herausforderung. Dabei kann gespendetes Blut für viele Patient*innen lebensrettend sein: Für Frauen mit Geburtskomplikationen, für Patient*innen mit Schussverletzungen und sogar für Menschen mit schwerer Malaria.
Zu dieser Zeit hatten wir keine Spender*innen und wenn eine Patientin auch nur einen halben Liter Blut benötigte, konnte die Situation sehr ernst werden.
Wir wussten, dass wir etwas tun mussten, gingen aber auch behutsam mit dem Thema um. In einigen Kulturen ist Blut ein sehr sensibles Thema. Wir konnten uns nicht einfach mit einem Megaphon auf den Marktplatz stellen und den Menschen lauthals erklären, wie wichtig eine Blutspende ist.
Wir sprachen mit den Gemeindevorsteher*innen, mit religiösen Oberhäuptern und natürlich mit den Menschen selbst: Wir klärten über die medizinische Bedeutung und Verwendung von Blutspenden auf und es wurden viele Fragen gestellt. Wir diskutierten über den Ablauf und die Kontrollen, die sicherstellen, dass die Blutspende keine negativen Auswirkungen auf die Spender*innen haben wird. Es gab viel Interesse zum Thema der Blutverwendung: Also organisierten wir noch eine praktische Demonstration, wie Blut transfundiert wird.
Die ersten Spenden
All diese Arbeit haben wir also geleistet, bevor mich unser Laborleiter Arnold bat, Spender*innen aufzusuchen. Ich war sehr nervös: Noch nie zuvor habe ich Menschen gebeten, Blut für Fremde zu spenden, schon gar nicht in einem medizinischen Notfall.
Unsere Klinik liegt ganz in der Nähe des Marktplatzes, also beschloss ich, dort anzufangen. Ich traf direkt auf eine Gruppe junger Männer, stellte mich vor und erzählte, warum ich hier sei. Ich ging auf die Punkte ein, die wir auch in den Gemeindeversammlungen besprochen hatten und erklärte ihnen, wie dringend die Situation sei und dass ihr Blut vorher auf verschiedene Infektionen getestet wird. Ich war mir nicht sicher, ob meine Argumente ausreichen würden, doch dann sagte einer der Männer: “Kein Problem, los, gehen wir.”
Sie folgten mir einfach in die Klinik und ich war ganz perplex - die erste Gruppe, mit der ich gesprochen hatte, konnte ich tatsächlich überzeugen!
Sie durchliefen zunächst das Screening-Verfahren: Einer der Männer konnte aufgrund von Vorerkrankungen nicht spenden. Als er den anderen Männern davon erzählte, wurde auch klar, dass wir es mit den medizinischen Kontrollen ernst nahmen, bevor wir eine Blutspende durchführten. Die beiden anderen haben gespendet und unser Team konnte erste Patient*innen mit Bluttransfusionen behandeln.
Arnold kam zu mir und fragte überrascht: “Dogara, wie hast du das denn so schnell geschafft?”
Es war ein tolles Gefühl als wir erfahren haben, dass die Patient*innen, am Ende gesund entlassen werden konnten.
Herausforderung überwunden
In den letzten Jahren haben wir die Zusammenarbeit mit den Gemeinden fortgesetzt und es setzte ein kontinuierlicher Wandel ein. Die Männer, die ich angesprochen habe – unsere ersten Spender – haben uns zusätzlich geholfen mehr Spender*innen zu gewinnen, indem sie der Gemeinde von ihren Erfahrungen erzählten. Die anfänglichen Zweifel verflogen mit der Zeit: Blutspenden wurden nicht mehr als lebensbedrohlich oder krankmachend wahrgenommen.
Wenn eine Patient*in heute eine Transfusion benötigt, ist es wesentlich einfacher: Angehörige werden von uns medizinisch beraten und können anschließend den eigenen Familien- und Freundeskreis zum Blutspenden mobilisieren. Sollten uns dann trotzdem noch Blutkonserven fehlen, haben wir mittlerweile einen Pool von freiwilligen Spender*innen, die wir anrufen können.
Es ist schön zu sehen, was gesundheitliche Vorsorge und Aufklärung leisten kann: Die Situation rund um das Blutspenden hat sich weitestgehend entspannt. Das erfüllt uns mit Dankbarkeit, denn es rettet Leben.