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Tongolo: Ein Raum, um über alles zu sprechen

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Gisela Silva Gonzales

Ich bin klinische Psychologin und arbeite vor allem mit Menschen, die von Menschenhandel, Zwangsmigration, Naturkatastrophen, psychischer Gesundheit in Gefängnissen und geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind.

"Wenn sie damit einverstanden ist", frage ich meine Kollegin, "würde ich bei ihrer Sitzung dabei sein und wir können die Situation gemeinsam analysieren?" Die Behandlung der Patientin läuft zwar schon seit mehreren Sitzungen, scheint nun aber etwas festgefahren.   

Mut

Eine Frau, nennen wir sie Maria Catole*, hat einen sexuellen Übergriff überlebt, bei dem der Angreifer sie zusätzlich  mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt hat. Sie macht sich unheimlich viele Sorgen und grübelt ununterbrochen. Nachts kann sie nicht schlafen, weil sie in den Gedanken der vergangenen Erlebnisse gefangen ist. 

"Madam, jeden Morgen aufzuwachen und weiterhin Hilfe zu suchen, ist schon sehr mutig", sage ich zu ihr. 
"Nein, ich habe keinen Mut mehr, “ erwidert sie. “Ich denke immerzu, wenn ich nur, wenn ich nur ..." 

Die Unsicherheit in ihrer Stimme war offensichtlich. Manchmal merken Überlebende gar nicht, wie sehr sie sich täglich anstrengen, die Situation zu bewältigen. 

Hoffnung und Lähmung

In unserer Sitzung sprechen wir über das Geschehene als "Erdbeben", denn nach dem Übergriff hat sich in ihrem Leben alles dramatisch verändert. Nichts, was sie vorher kannte, ist mehr so wie früher. Sie sucht unbewusst nach einem Weg, ihr Leben neu aufzubauen. Manchmal fixiert sich die Hoffnung aber auf die Vergangenheit und auf unmögliche Erwartungen: dass z.B. die Krankheit verschwindet oder dass sie das Geschehene vergessen kann. In der Stille der Nacht scheint alles möglich: "Wenn doch nur..." 

Ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Ressourcen

Dabei trägt Maria all die Kraft und die Fähigkeit dazu in sich, selbstbestimmt weiterzuleben.  Wir helfen ihr aus dieser Lähmung herauszukommen: wir aktivieren gemeinsam ihre konkreten Ressourcen im Hier und Jetzt. 

"Ich habe letzte Woche ein "Würde-Kit" erhalten. Es hat mir geholfen, denn es enthielt viele Hygieneartikel, Kleidung und Seife, um mein Baby zu baden. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen. Mein Kind hat viel gelacht." 

Zuhören ist nicht gleich Zuhören

Maria erzählte uns von einem Moment in ihrem Tag. Wir nahmen uns die Zeit, ihr zuzuhören, ihr zu versichern, dass dieser Moment mit ihrem Baby kostbar war, dass sie trotz allem, was passiert ist, noch Großartiges erleben und teilen kann. 

Obwohl sie tiefe Traurigkeit empfand, begann sie zu lächeln...ein kostbarer Moment in all der Unsicherheit, die sie durchlebt.

"Ich komme immer wieder, weil ich hier über alles reden kann, ohne mich verurteilt zu fühlen, Sie sind so einfühlsam mit mir. Hier versteht man mich und durch das Reden fühle ich mich so gut." 

Die Arbeit im Bereich psychische Gesundheit geht über die Rolle der Ratgeberin hinaus. Es geht darum, zuzuhören - zu hören, was die Person ausdrückt, was für sie wichtig ist. Dabei ist unser Zuhören mitfühlend und aktiv. 

Leben und Kraft

Am Ende dieser Begegnung beobachten wir: „Dieser Raum für sie bedeutet, zu sprechen, ohne beurteilt zu werden, sich durch Gespräche um sich selbst zu kümmern. Heute hat sie mit uns geteilt, wie sie ihr Baby gebadet hat. Sie hat nicht mehr über ihren Übergriff gesprochen - sie hat es geschafft, ein wenig Lebensfreude zurückzugewinnen." 

In unserer Arbeit mit Überlebenden von sexualisierter Gewalt müssen wir eben diese Anker finden, mit denen wir ihnen helfen können, weiterzuleben. Wir wissen: Solange die Überlebenden zu uns kommen, können wir sie unterstützen.

Wir können ihre schwierige Realität leider nicht ändern, aber wir können sie wissen lassen, dass sie von Menschen umgeben sind, die sich um sie sorgen: Es gibt Stärke und ein Leben jenseits ihres Traumas. 

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