Zeugnis ablegen
Missstände dokumentieren und öffentlich machen
Handeln und Sprechen, Behandeln und Bezeugen waren die Schlüsselbegriffe bei der Gründung von Ärzte ohne Grenzen. Und sie gelten noch heute.
Témoignage, französisch für "Zeugnis ablegen", nutzen wir, um soziale Probleme, politische Unruhen und Gewalt oder andere gesellschaftliche Herausforderungen zu benennen: Wenn wir miterleben, wie Menschen der Zugang zu lebensrettender medizinischer Versorgung verwehrt oder systematisch behindert wird oder wenn wir Zeug*innen von Gewalt gegen Individuen oder Bevölkerungsgruppen, von Missständen oder Menschenrechtsverletzungen werden, dokumentieren wir das. So können wir unsere Stimme zum Wohle unserer Patient*innen erheben und die Aufmerksamkeit auf bestimmte Angelegenheiten lenken.
Unser Ziel ist es, Leben zu schützen und die Situation der Betroffenen zu verbessern. Témoignage ist daher fest in unserer Satzung verankert.
Humanitäre Dilemmata
Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Moment wir an die Öffentlichkeit gehen, ist nicht leicht. Manchmal werden wir dafür kritisiert, dass wir Missstände nicht deutlich genug benennen.
Im Vordergrund unser Arbeit steht, wie wir unseren Patient*innen in der jeweiligen Situation am besten helfen können: Indem wir stillschweigend Missstände akzeptieren, um den Zugang zu den Patient*innen nicht zu gefährden? Oder indem wir das Schweigen brechen und darüber berichten, um die Gesamtsituation zu verbessern und dann aber keine medizinische Hilfe leisten zu können? Das sind Fragen, die unsere Projektteams täglich neu beschäftigen.
In vielen Situationen wählen wir zunächst Wege der politischen und diplomatischen Kommunikation mit den Verantwortlichen. Denn Dialog und Zusammenarbeit - vor allem auch mit den Gesundheitsbehörden eines Landes - sind der Schlüssel zum Verständnis und zur Verbesserung des Mangels an medizinischer Versorgung. Versetzen Sie sich doch einmal in die Lage eines Gesundheitsministers, der öffentlich lesen muss: In deinem Land sterben Kinder an einer leicht vermeidbaren Krankheit wie Masern. In so einem Fall ist es von großer Bedeutung mit den zuständigen Akteur*innen in der Region in den Dialog zu treten. Denn ohne das Mitwirken eines Gesundheitsministeriums lässt sich eine Masern-Epidemie nicht beenden. Wenn wir dann über unsere Arbeit berichten, betonen wir beispielsweise, dass wir die Epidemie gemeinsam mit den Behörden bekämpfen.
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