Humanitäre Hilfe
Die Idee der humanitäre Hilfe klingt einfach: Leben retten und Leid lindern, wenn Menschen aufgrund von Krisen, Konflikten oder Naturkatastrophen eine akute Notlage nicht alleine bewältigen können. Damit Menschen weltweit trotz Krisen, Kriegen und Naturkatastrophen in Würde überleben können, haben sich fast alle Staaten der Welt darauf geeinigt, dass humanitäre Hilfe notwendig ist und sie festen Prinzipien folgen soll: Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit.
Grenzen der humanitären Prinzipien
Die Anwendung der humanitären Prinzipien in der Praxis ist mit Herausforderungen verbunden. Während unserer Einsätze beobachten wir dezidiert, ob und wie unsere Hilfe ihr Ziel erreicht. Dabei müssen wir uns bspw. gegen politsche Vereinnahmung zur Wehr setzen und darauf achten, nicht instrumentalisiert zu werden. Unerwünschte Nebeneffekte müssen wir wahrnehmen, thematisieren und nach Möglichkeit vermeiden (so genanntes Do-no-harm-Prinzip).
Wenn wir nicht allen Menschen helfen können
Wir erleben weltweit sehr viele Menschen in Not. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Ärzte ohne Grenzen ist es nicht möglich, allen Menschen in Not weltweit gleichermaßen zu helfen. Zumal die Hilfsbedarfe sehr unterschiedlich sein können. Wir eruieren deswegen sehr genau, wo und wie wir helfen können. Das kann bspw. ein Angebot zur Basisgesundheitsversorgung sein, wenn lokale Gesundheitssysteme nicht (mehr) oder nur sehr eingeschränkt funktionieren. Es kann sich aber auch um eine spezielle medizinische Notlage handeln, wie eine Malaria-Epidemie, in der wir lokale Strukturen unterstützen. Gleichzeitig versuchen wir durch die Aus- und Weiterbildung von medizinischem Personal weltweit, den Zugang zu medizinischer Hilfe nachhaltig zu verbessern. Egal wie unsere Hilfe vor Ort konkret aussieht - eines gilt immer: Unsere Prinzipien. Auch wenn wir sie im Einzelfall vielleicht nicht zu hundert Prozent erfüllen können.
Wenn Sprechen wichtiger ist als Schweigen
Wir sind dem Prinzip der Neutralität verpflichtet und äußern uns eigentlich nicht zu politischen oder militärischen Entscheidungen. Gleichzeitig haben wir uns in unserer Charta dazu verpflichtet, dass unsere Mitarbeiter*innen öffentlich machen, wenn sie Zeug*innen von Gewalt und Not werden. Da unsere Organisation in Frankreich entstand, verwenden wir für dieses Handeln den französischen Begriff Témoignage (auf Deutsch "Zeugnis ablegen"). Dabei vermeiden wir es gemäß dem Prinzip der Neutralität, öffentlich so Partei zu ergreifen, dass wir als Teil eines politischen Lagers gesehen werden können. Denn selbstverständlich ist es uns wichtig, die Ausübung humanitärer Hilfe nicht zu gefährden. Vielmehr wollen wir den existentiellen Anliegen unserer Patient*innen damit zu einer größeren Öffentlichkeit verhelfen. In unserer Geschichte finden sich viele Beispiele dafür, dass wir auf diese Weise Stellung bezogen und teilweise Veränderungen angestoßen haben. Auf einer englischsprachigen Website versammeln wir eine Reihe von Studien dazu.
Wenn humanitäre Hilfe für politische Zwecke vereinnahmt wird
Mit einem ganz anderen Problem bekommen wir es zu tun, wenn humanitäre Hilfe von anderen als Mittel eingesetzt wird, um politische oder militärische Ziele zu erreichen. Insbesondere seit dem „Krieg gegen den Terror“ (2001) ist dies verstärkt der Fall. Im 'European Consensus' haben sich eigentlich alle europäischen Regierungen dazu verpflichtet, die Unabhängigkeit der humanitären Hilfe unter allen Umständen zu garantieren. Doch 2010 forderte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bspw. eine engere Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit dem Militär in Afghanistan. Er beschrieb die NGOs in diesem Zusammenhang sogar als „soft power“ der Nato. Wir kritisieren seit langem jedwede politische Vereinnahmung der humanitären Hilfe und haben Generalsekretär Rasmussen sowie alle anderen Konfliktparteien aufgefordert, zwischen politischen und militärischen Zielsetzungen einerseits und medizinischer humanitärer Hilfe andererseits zu unterscheiden. Dies ist nur eines von vielen Beispielen für die Vereinnahmung humanitärer Hilfe.
Zukunft der humanitären Hilfe
Es gibt politische Gründe oder logistische, militärische oder sogar finanzielle Gründe dafür, dass leidende Menschen vernachlässigt oder nicht erreicht werden. Und obwohl es mehr humanitäre Hilfe denn je auf der Welt gibt, ist sie äußerst ungerecht verteilt. Ärzte ohne Grenzen setzt sich seit vielen Jahren für eine Klärung der Konzepte und der jeweiligen Aufgaben der unterschiedlichen Akteure der humanitären Hilfe ein.
Anhand von Essays und Debattenbeiträgen können Sie sich unter Publikationen über unseren Standpunkt informieren. Zudem veranstaltet Ärzte ohne Grenzen in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen jedes Jahr den "Humanitären Kongress. Theorie und Praxis der humanitären Hilfe".
Abgrenzung humanitärer Hilfe von Entwicklungszusammenarbeit
Humanitärer Kongress
Centre for Humanitarian Action
Das unabhängige Centre for Humanitarian Action (CHA) ist der erste deutsche Think Tank für humanitäre Hilfe. Es setzt sich für eine unabhängige Analyse, kritische Diskussion und öffentlichkeitswirksame Vermittlung humanitärer Hilfe in der Öffentlichkeit, im politischen Diskurs und im Bildungssektor ein.
Das Centre for Humanitarian Action (CHA) ist eine Initiative humanitärer Nichtregierungsorganisationen, um die humanitäre Hilfe aus Deutschland wie auch international zu stärken. Neben Ärzte ohne Grenzen Deutschland e.V. stellen der Deutsche Caritasverband e.V./Caritas international und das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. die Basisfinanzierung und bilden den Programmbeirat. Weitere ideelle und finanzielle Unterstützung kommt von Organisationen wie Oxfam Deutschland e.V., Aktion gegen den Hunger GmbH, das IRC Deutschland e.V., Islamic Relief Deutschland e.V. oder Help - Hilfe zur Selbsthilfe e.V..