Haiti: Ärzte ohne Grenzen schließt Krankenhaus wegen gewaltsamer Zusammenstöße
Port-au-Prince/Berlin, 9. März 2023. Angesichts untragbarer Sicherheitsrisiken in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince hat die medizinische Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen ihr Krankenhaus im Stadtteil Cité Soleil vorübergehend geschlossen. Nach Zusammenstößen zwischen schwer bewaffneten rivalisierenden Gruppen nur wenige Meter vom Krankenhausgelände entfernt sehen sich die Teams von Ärzte ohne Grenzen nicht mehr in der Lage, die Sicherheit von Patient*innen und Mitarbeiter*innen zu gewährleisten.
„Nur wenige Meter von unserem Krankenhaus entfernt spielt sich ein Krieg ab“, sagt der medizinische Berater von Ärzte ohne Grenzen, Vincent Harris. „Das Krankenhaus wurde zwar nicht angegriffen, aber es liegt direkt an der Frontlinie. Uns ist klar, dass die Schließung des Krankenhauses schwerwiegende Folgen für die Menschen in Cité Soleil haben wird, aber unsere Teams können nicht arbeiten, solange die Sicherheit nicht gewährleistet ist.“
Zahlreiche verirrte Kugeln sind bereits in das Krankenhausgelände eingedrungen. Erkrankten und Verwundeten ist es derzeit fast unmöglich, die Klinik zu erreichen. Ärzte ohne Grenzen, deren Teams seit mehr als 30 Jahren in Haiti tätig sind, haben dazu aufgerufen, die Kämpfe um das Krankenhaus einzustellen, damit das Personal seine Arbeit so schnell wie möglich wieder aufnehmen und die medizinische Versorgung der Menschen in Cité Soleil fortsetzen kann.
In der Zwischenzeit ist die Zahl der Patient*innen, die Ärzte ohne Grenzen im Notfallzentrum in Turgeau im Zentrum von Port-au-Prince behandelt, erheblich gestiegen. In den vergangenen Tagen haben die Teams dort deutlich mehr Menschen mit Schussverletzungen aufgenommen als sonst. „Seit die Kämpfe in der Gegend von Bel Air am 28. Februar wieder aufgeflammt sind, haben wir viele Kinder, Frauen und ältere Menschen aufgenommen“, sagt Freddy Samson, medizinischer Leiter des Projekts von Ärzte ohne Grenzen. „Es ist schrecklich, die Zahl der Opfer dieser Zusammenstöße zu sehen. Es ist schwer zu sagen, wie viele Menschen insgesamt in der Stadt verwundet wurden, weil viele Menschen große Angst haben, ihre Viertel zu verlassen.“
Trotz der vorübergehenden Schließung des Krankenhauses in Cité Soleil und der sich verschlechternden Sicherheitslage in der Hauptstadt sind die Teams von Ärzte ohne Grenzen weiterhin an anderen Orten in Haiti aktiv. So behandeln sie weiterhin Opfer von Gewalt und Verbrennungen in Tabarre, einer an Port-au-Prince angrenzenden Gemeinde. In Delmas, einem Stadtteil von Port-au-Prince, sowie im Departement Artibonite werden Opfer sexueller Gewalt behandelt. Im Notfallzentrum von Turgeau werden Opfer schwerer Unfälle versorgt, im Departement Sud hingegen schwangere Frauen und ihre Babys. Hinzukommen mobile Kliniken, die Teams von Ärzte ohne Grenzen in den von Gewalt betroffenen Städten betreiben.
Im Jahr 2022 nahmen die Teams von Ärzte ohne Grenzen in Zusammenarbeit mit dem haitianischen Gesundheitsministerium mehr als 4.600 chirurgische Eingriffe vor. Außerdem wurden 34.200 Notfallkonsultationen durchgeführt sowie 2.600 Patient*innen mit Schussverletzungen und 370 Brandopfer behandelt. In den mobilen Kliniken wurden 17.800 medizinische Konsultationen vorgenommen, zudem wurden 2.300 Überlebende von sexueller Gewalt behandelt und 700 Entbindungen unterstützt. Seit Ende September 2022 haben die Teams von Ärzte ohne Grenzen außerdem mehr als 19.000 Menschen mit Cholera-Symptomen behandelt.