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Haiti

Haiti: Ärzte ohne Grenzen stellt Aktivitäten in zwei medizinischen Einrichtungen wegen mangelnder Sicherheit ein

Port-au-Prince/Berlin, 8. April 2025. Ärzte ohne Grenzen hat die Entscheidung getroffen, sich aus dem Notfallzentrum Turgeau und dem Traumazentrum Carrefour für mindestens drei Monate zurückzuziehen. Auslöser für den vorrübergehenden Rückzug waren ein Angriff auf einen Konvoi der Organisation am 15. März, der zwischen den beiden medizinischen Einrichtungen unterwegs war, sowie die sich insgesamt verschlechterte Sicherheitslage im Zentrum von Port-au-Prince. In den kommenden Wochen wird Ärzte ohne Grenzen prüfen, ob die Bedingungen für eine Rückkehr gegeben sind.

Am Tag des Angriffs hatte Ärzte ohne Grenzen das Turgeau-Notfallzentrum bereits evakuiert, weil in der Nähe des Krankenhauses Kämpfe stattfanden und täglich Kugeln auf dem Gelände der Einrichtung einschlugen. Während der Evakuierung der Teams von Turgeau in das Traumazentrum Carrefour wurden die eindeutig mit dem Logo von Ärzte ohne Grenzen gekennzeichneten Fahrzeuge auf der einzigen Zufahrtsstraße zwischen den Einrichtungen von mindestens einem vermummten Mann in Uniform mindestens 15-mal gezielt beschossen. Aufgrund dieses Vorfalls konnte Ärzte ohne Grenzen diese Route nicht mehr weiter nutzen.  


Das Notfallzentrum Turgeau und das Traumazentrum Carrefour sind in ihrer Arbeit eng miteinander verbunden. Ohne die Möglichkeit, diese Straße für den Transport von Patient*innen, Personal oder medizinischen Hilfsgütern zu nutzen, können die beiden Einrichtungen nicht funktionieren. Aus diesem Grund sind wir gezwungen, uns ab dem 9. April 2025 aus Carrefour zurückzuziehen. Dies ist eine äußerst schmerzhafte Entscheidung, zu einer Zeit, in der der medizinische Bedarf der Bevölkerung weiterwächst.

Benoît Vasseur, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Haiti


In den vergangenen Monaten hat Ärzte ohne Grenzen in beiden Einrichtungen einen alarmierenden Anstieg an Verletzten durch Gewalteinwirkung beobachtet. Zwischen Januar und März 2025 behandelte die Organisation mehr als 550 Verletzte durch Gewalteinwirkung, mehr als 3.600 Notfälle und führte im gleichen Zeitraum über 3.600 medizinische Konsultationen durch. Das Notfallzentrum Turgeau und das Traumazentrum Carrefour waren die einzigen Einrichtungen in der Region, die auch Opfern von Verkehrsunfällen und häuslichen Unfällen kostenlose Versorgung bieten oder Patient*innen an geeignete andere Einrichtungen überweisen konnten.  


Trotz des Rückzugs aus den beiden Einrichtungen, setzt Ärzte ohne Grenzen seine Aktivitäten an anderen Orten in Port-au-Prince und im Süden Haitis fort. Im Süden leistet die Organisation weiterhin Geburts- und Notfallversorgung und Hilfe im Bereich Müttergesundheit. In Port-au-Prince sind die Teams von Ärzte ohne Grenzen weiterhin aktiv im Tabarre-Traumazentrum, im Drouillard-Krankenhaus in Cité Soleil und in der Pran Men'm Klinik in Delmas. Auch unterstützt die Organisation die Isaïe Jeanty Entbindungseinrichtung und setzt nach wie vor auf den Einsatz mobiler Kliniken an mehreren Standorten für Vertriebene und in Stadtvierteln, in denen die Lage besonders prekär ist. Jedoch ist der medizinische Transport für alle Teams von Ärzte ohne Grenzen in Port-au-Prince aktuell ausgesetzt.  


Ärzte ohne Grenzen reagiert seit über 30 Jahren auf große Krisen in Haiti wie Erdbeben, Wirbelstürme oder Cholera-Epidemien – und unterstützt die Bevölkerung auch angesichts der aktuellen Gewalt. Die Mitarbeitenden der Organisation können jedoch nicht ihr Leben riskieren, um diese Hilfe zu leisten. Am 22. November 2024 musste Ärzte ohne Grenzen bereits alle Einsätze für etwa drei Wochen einstellen, da Mitarbeitende wiederholt angegriffen und bedroht wurde. Dies ist nun der zweite kritische Vorfall, den die Organisation in den vergangenen vier Monaten erlitten hat. Ärzte ohne Grenzen wartet immer noch auf die Ergebnisse der von den haitianischen Behörden durchgeführten Untersuchungen zu den Vorfällen.

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Unsere Pressereferentin Merle Tilk
Merle Tilk
- Media Relations