Syrien: Grenzübergänge in den Nordwesten des Landes müssen geöffnet bleiben
Amman/Berlin, 6. Juli 2023. Ärzte ohne Grenzen fordert den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, die Resolution für grenzüberschreitende Lieferungen von humanitären Hilfsgütern in den Nordwesten Syriens zu erneuern. Ein ausgeweiteter und nachhaltiger Zugang über alle möglichen Grenzübergänge ist über die Erdbebenhilfe hinaus von entscheidender Bedeutung, um lebensrettende Hilfe für die Menschen im Nordwesten Syriens zu sichern.
„Die bevorstehende Abstimmung am 10. Juli im UN-Sicherheitsrat ist ein entscheidender Moment für Nordwestsyrien. Es ist enttäuschend zu sehen, dass der Zugang zu humanitärer Hilfe in politische Verhandlungen verstrickt ist“, sagt Sebastien Gay, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen für Syrien. „Wenn es nicht gelingt, die Versorgung mit Hilfsgütern zu gewährleisten, sind Leben und Gesundheit der Menschen in Gefahr.“
Das verheerende Erdbeben in der Region am 6. Februar 2023 hat die ohnehin schwierige Lage und den unzureichenden Zugang für humanitäre Hilfe deutlich gemacht. Das Ausmaß und der Umfang des Bedarfs konnten nicht adäquat gedeckt werden.
„Nach dem Erdbeben kam fast drei Tage lang keine weitere internationale humanitäre Hilfe im Nordwesten Syriens an, so dass die Menschen keine Unterkunft hatten, den eisigen Temperaturen ausgesetzt waren und keine angemessene medizinische Versorgung erhielten“, so Gay. „Die verzögerte Ankunft der lebensrettenden Hilfe verdeutlicht die Isolation des Nordwestens Syriens.“
Gemeinsam mit anderen Organisationen hat Ärzte ohne Grenzen wiederholt davor gewarnt, dass die begrenzten Wege für humanitäre Lieferungen die Notfallhilfe beeinträchtigen. Mit einem angemessenen Zugang hätten viele Todesfälle nach dem Erdbeben verhindert werden können.
Wenn die Resolution nicht erneuert und ein nachhaltiger Zugang im Nordwesten Syriens geschaffen wird, hätte das katastrophale Folgen für die physische und psychische Gesundheit der Menschen. Im Laufe der Jahre mussten bereits erhebliche Rückschläge hingenommen werden: So wurde die Zahl der zugelassenen Grenzübergangsstellen von vier auf eine reduziert und die Verlängerungsdauer von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt. Diese Dauer schränkt die Notfallbereitschaft von Organisationen ein und verhindert längerfristige Projekte. Um die Versorgung zu gewährleisten, sind humanitäre Organisationen dazu gezwungen, übermäßig viele Vorräte anzulegen, was zu Verschwendung führt.
Die Grenzübergänge Bab al-Salama und al-Rai, die nicht unter die Resolution des UN-Sicherheitsrats fallen und nach dem Erdbeben geöffnet wurden, müssen ebenfalls für humanitäre Konvois geöffnet bleiben. Das darf aber keinesfalls eine Nichtverlängerung der Resolution des UN-Sicherheitsrats rechtfertigen, da Bab Al-Hawa nach wie vor der zuverlässigste, kostengünstigste und am meisten genutzte Grenzübergang ist. Zwar bietet der Mechanismus für Hilfslieferungen von regierungskontrollierten Gebieten in den Nordwesten eine Ergänzung, aber keinesfalls einen Ersatz für grenzüberschreitende Hilfslieferungen. Alle Diskussionen über humanitäre Hilfskorridore sollten sich auf die praktische Umsetzung, Sicherheit, Effizienz und Pünktlichkeit konzentrieren.
Ärzte ohne Grenzen fordert wiederholt vom UN-Sicherheitsrat, den grenzüberschreitenden Mechanismus zu erneuern. „Ein uneingeschränkter humanitärer Zugang zum Nordwesten Syriens muss um jeden Preis gewährleistet werden“, fügt Gay hinzu. „Er muss auch frei von jeglicher politischen Einmischung bleiben, da das Leben von Millionen Menschen davon abhängt.“