Die aktuelle Situation in Syrien
Ende 2024 stürzten Oppositionsgruppen die 40-jährige Herrschaft der Assad-Familie in Syrien. Nach fast 14 Jahren Krieg und dem verheerenden Erdbeben von 2023 sind erhebliche Teile des Landes, der Wirtschaft und der Infrastruktur zerstört.
16,7 Millionen der 21,3 Millionen Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Im Dezember 2024 konnten unsere Teams erstmals nach über einem Jahrzehnt verschiedene städtische und ländliche Gebiete in Syrien betreten. Der Bedarf an medizinischer Versorgung ist weit größer, als erwartet. Das einst funktionierende Gesundheitssystem ist durch den jahrelangen Konflikt zerstört. Ein Großteil der Gesundheitseinrichtungen ist nicht mehr funktionsfähig, viele medizinische Mitarbeitende wurden getötet oder sind geflohen, der Mangel an medizinischem Material und Medikamenten ist enorm.
Unsere Teams leisten medizinische und humanitäre Hilfe im Nordwesten und Nordosten des Landes. Dort betreiben oder unterstützen wir 6 Krankenhäuser, 12 Gesundheitseinrichtungen und sind mit 7 mobilen Kliniken in der Region unterwegs. Wir bieten ein umfassendes Spektrum an spezialisierter Versorgung an, darunter geburtshilfliche und pädiatrische Versorgung, Impfungen, Chirurgie, psychische Gesundheitsversorgung, Behandlung von chronischen Krankheiten, Physiotherapie sowie Palliativpflege. Derzeit bereiten wir eine Ausweitung unsere Aktivitäten in weitere Provinzen vor.
Die Situation der vertriebenen Menschen ist kaum vorstellbar. Die Menschen brauchen dringend Zugang zu lebenswichtigen Diensten und Gütern, einschließlich der medizinischen Versorgung, sauberem Wasser und Unterkünften, da die Temperaturen erheblich sinken. In der derzeitigen Situation besteht außerdem die Gefahr weiterer Vertreibungen.”
-Allen Murphy, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Nordostsyrien
Wir sind seit 2009 in Syrien im Einsatz
So helfen wir
- Wir unterstützen Krankenhäuser und Gesundheitszentren.
- Wir betreiben mobile Kliniken in den Provinzen Aleppo, Idlib und Hama.
- Wir bieten psychosoziale Beratungen an.
- Wir betreuen Schwangere rund um die Geburt.
- Wir bieten grundlegende medizinische Versorgung für vertriebene Menschen in abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten an.
- Wir kümmern uns um die Wasser- und Sanitärversorgung in Camps für Vertriebene.
- Wir reagieren auf Ausbrüche von Cholera, Masern, Skabies und weiteren Infektionskrankheiten.
- Wir unterstützen Einrichtungen für die medizinische Grundversorgung, darunter auch Mangelernährungsprogramme und Angebote zur psychischen Gesundheit.
- Wir verteilen Zelte und Hilfsgüter wie Decken, Matratzen, Windeln und Säuglingsnahrung.
Unsere Hilfe in Zahlen
Die Zahlen beziehen sich auf unsere Aktivitäten in Syrien im Jahr 2024.
Ambulant versorgen
Wir haben 869.544 ambulante Konsultationen gemacht.
Stationäre Behandlungen
Wir konnten 22.600 Patient*innen in Krankenhäusern behandeln.
Psychosoziale Unterstützung
Mehr als 34.200 Menschen haben wir mit Einzelgesprächen begleitet.
Impfungen
Wir konnten über 17.400 Menschen impfen.
Geburten begleiten
Wir haben über 16.200 Frauen bei der der Entbindung ihrer Kinder begleitet, davon fast 3000 mit einem Kaiserschnitt.
Operationen
Bei 8.991 Menschen haben wir einen chirurgischen Eingriff vorgenommen.
Wir fordern
- Auch wenn sich die Lage in den kommenden Monaten stabilisieren könnte, bleiben die Spannungen zwischen einigen Gruppen. Wir rufen zum Schutz der Zivilbevölkerung auf und fordern von allen Gruppierungen, alles zu tun, um weiteres Leid der syrischen Bevölkerung und Vertreibungen zu verhindern. Darüber hinaus fordern wir den sicheren Zugang humanitärer Akteur*innen zur betroffenen Bevölkerung, um lebensrettende Hilfe wirksam bereitstellen zu können.
- Nach fast 14 Jahren Krieg ist der Bedarf an humanitärer und medizinischer Hilfe in Syrien immer noch hoch. Deshalb fordern wir internationale Organisationen und Geber auf, die Unterstützung für Syrien zu erhöhen, um katastrophale Folgen für die Menschen zu verhindern und das Gesundheitssystem wieder aufzubauen.
Medizinische Hilfe im Nordosten
Die bestehende medizinische Versorgung in einigen Gebieten, in denen die Vertriebenen aktuell untergebracht sind, ist durch den Zustrom von Menschen überlastet. In Tabka werden Schulen und ein Stadion als Notunterkunft für Vertriebene genutzt. Die Lage an diesen Orten ist katastrophal. Die Temperaturen fallen unter den Gefrierpunkt und die Menschen haben keine Decken. Es gibt nicht genug Latrinen, Trinkwasser und Lebensmittel.
Unsere Teams haben beispielsweise mehr als 10.000 Flaschen Wasser, 200 große Zelte, Säuglingsnahrung und Windeln sowie Decken und Matratzen in Tabka verteilt. Zusätzlich haben unsere Teams sich um den Zugang der Geflüchteten zu sauberem Wasser gekümmert – etwa durch Wassertransporte zu den Sammelunterkünften. Auch wurden Notunterkünfte bereitgestellt und mobile Teams haben dringend benötigte medizinische Versorgung geleistet.
Hilfe im Al-Hol-Camp
Mehr als 50.000 Menschen leben im Al-Hol-Camp, dem größten geschlossenen Vertriebenencamp im Nordosten Syriens. Mehr als 90 Prozent von ihnen sind Frauen und Kinder. Wir betreiben eine Wasseraufbereitungsanlage im Camp, um die Versorgung mit sauberem Trinkwasser zu gewährleisten.
Ursprünglich war das Camp zur vorübergehenden Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten aus Syrien und dem Irak angelegt worden. Im Dezember 2018 wurden dann auch die Menschen aus den vom Islamischen Staat (IS) kontrollierten Gebieten hierhergebracht. Nach und nach entwickelte sich das Camp zu einem Gefängnis unter freiem Himmel – unsicher und schrecklich unhygienisch. Jede zweite Person ist unter zwölf Jahre alt. Man sieht Kinder, die im Dreck spielen. Reguläre Bildungsangebote oder soziale Aktivitäten gibt es für sie nicht.
- Vicky Hawkins, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen in den Niederlanden
Aufklärung zur Verhinderung von Brandverletzungen
Wir betreiben eine Klinik zur Versorgung von Verbrennungen in Atmeh (Provinz Idlib). Häusliche Unfälle sind die Hauptursache für Verbrennungen und die meisten dieser Unfälle passieren Kindern, entweder durch verschüttetes kochendes Wasser oder durch Explosionen von Heizsystemen. Deshalb klären wir in den Vertriebenencamps über Brandschutz auf. Aufklärung verhindert einige Unfälle, verbessert jedoch nicht die gefährlichen Lebensbedingungen.
Wir hatten Patient*innen mit Verbrennungen bis zu 55 Prozent, fast alle waren kleine Kinder. Verbrennungen sind für Kinder gefährlicher als für Erwachsene. Das Leben eines Kindes ist bei einer Verbrennung ab 40 Prozent gefährdet.“ - Abdel Malik Araour, Pflegeaktivitätsmanager
Patient*innen mit Verbrennungen haben ein hohes Infektionsrisiko. Sie sind anfällig für hohes Fieber, schwere Atemprobleme und Anzeichen von Sepsis. Wenn dies geschieht, benötigen sie sehr intensive Betreuung und spezielle Pflege. Die Finanzierung für den Nordwesten Syriens nahm nach einem vorübergehenden Anstieg im Zusammenhang mit dem Erdbeben ab. Solange dieser Trend anhält, besteht wenig Hoffnung auf eine Verbesserung der Brennstoffqualität und der Lebensbedingungen.
Letztes Update: 29.01.2025