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Syrien

Ärzte melden mehr als 1.000 Tote in Ost-Ghuta

Brüssel/Berlin, 9. März 2018. Mindestens 1.005 Menschen sind vom 18. Februar bis zum 3. März im belagerten syrischen Ost-Ghuta ums Leben gekommen, mindestens 4.829 wurden verletzt. Das bedeutet im Schnitt 71 Tote und 344 Verletzte pro Tag. Diese Zahlen wurden aus 20 Gesundheitseinrichtungen in dem Gebiet, die von Ärzte ohne Grenzen unterstützt werden, an die Organisation gemeldet. Die tatsächliche Zahl der Opfer liegt weitaus höher, da es zahlreiche weitere medizinische Einrichtungen in Ost-Ghuta gibt, mit denen Ärzte ohne Grenzen nicht in direktem Kontakt steht.

„Die gewaltigen Zahlen von Toten und Verletzten sprechen Bände. Aber noch erschütternder sind die Berichte der Ärzte aus Ost-Ghuta“, sagt Meinie Nicolai, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen in Brüssel, von wo aus das Unterstützungsprogramm für medizinische Einrichtungen in dem belagerten Gebiet organisiert wird. „Jeden Tag hören unsere Mitarbeiter so viel Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Die Ärzte und Pfleger vor Ort erreichen die Grenzen dessen, was eine Person ertragen kann. Sie versuchen, zwischendurch irgendwie ein paar Minuten Schlaf zu finden, in ständiger Angst vor einem Bomben- oder Granateneinschlag. Sie tun alles, um eine gewisse medizinische Versorgung aufrecht zu erhalten, aber sie haben kaum eine Chance. Die katastrophale Situation und die ständige Missachtung des Kriegsrechts durch die Konfliktparteien zwingen sie dazu, Unmögliches zu leisten.“

15 der 20 von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Kliniken wurden von Bomben oder durch Artilleriebeschuss getroffen und unterschiedlich stark beschädigt. Vier Ärzte wurden dabei getötet und 20 verwundet. Dadurch sind die medizinischen Kapazitäten noch weiter eingeschränkt. Die von Ärzte ohne Grenzen in Ost-Ghuta angelegten Vorräte an medizinischem Material sind beinahe aufgebraucht. Einige grundlegende Dinge gibt es überhaupt nicht mehr, besonders Operationsmaterial. Gleichzeitig wurden nach Angaben der Vereinten Nationen medizinische Hilfsgüter von der syrischen Regierung aus einem Hilfskonvoi entfernt, der am Montag in Ost-Ghuta ankam.

In vielen Teilen von Ost-Ghuta leben die meisten Bewohner unter unhygienischen Bedingungen mit nur wenig Trinkwasser und oft ohne sanitäre Einrichtungen in Kellern und vorübergehenden Schutzunterkünften unter der Erde. Das hat schwere gesundheitliche Auswirkungen. In der Stadt Harasta, wo bereits vor Beginn der Militäroffensive am 18. Februar etwa 70 Prozent der Bevölkerung in Kellern und Bunkern lebten, hatten die Ärzte einen deutlichen Anstieg von Atemwegsinfektionen, Durchfällen und Hautinfektionen registriert, besonders bei Kindern.

Ärzte ohne Grenzen fordert von den Kriegsparteien:

  • die Bombardierung und den Beschuss sofort zu beenden oder zu unterbrechen, damit eine medizinische Versorgung geleistet werden kann.
  • sicherzustellen, dass Zivilisten und zivile Infrastruktur auf beiden Seiten der Front, einschließlich medizinischer Einrichtungen, nicht beschossen werden – und zwar jederzeit, auch außerhalb möglicher Feuerpausen
  • lebenswichtige Medikamente und medizinisches Material nach Ost-Ghuta durchzulassen und keine lebenswichtigen Medikamente aus den Hilfskonvois zu entfernen
  • die Verlegung von Patienten in kritischem Zustand zu ermöglichen
  • unabhängige medizinische Organisationen in das Gebiet zu lassen.

Ärzte ohne Grenzen kann nicht mit eigenen Teams in Ost-Ghuta arbeiten. Die Organisation unterstützt seit mehreren Jahren 10 medizinische Einrichtungen in Ost-Ghuta regelmäßig aus der Ferne mit medizinischem Material und fachlicher Unterstützung, seit Beginn des schweren Beschusses am 18. Februar wurden weitere 10 Einrichtungen mit medizinischem Nothilfematerial beliefert. Leider ist aber auch Ärzte ohne Grenzen nicht mehr in der Lage, bestimmte chirurgische Ausrüstung zu liefern, die jetzt in ganz Ost-Ghuta nicht mehr verfügbar ist.

Im Norden Syriens betreibt Ärzte ohne Grenzen fünf medizinische Einrichtungen und drei mobile Kliniken selbst und hat Partnerschaften mit fünf weiteren Einrichtungen. Die Organisation unterstützt etwa 50 Kliniken in Gebieten, wo Teams nicht direkt vor Ort sein können, aus der Ferne. Ärzte ohne Grenzen kann nicht in Gebieten Hilfe leisten, die von der Regierung kontrolliert werden, da diese keinen Zugang gewährt. In vom Islamischen Staat kontrollierten Gebieten kann Ärzte ohne Grenzen ebenfalls nicht tätig sein, da die Organisation keine Sicherheitsgarantien erhält. Zur Wahrung seiner politischen Unabhängigkeit nimmt Ärzte ohne Grenzen für seine Arbeit in Syrien keine Regierungsgelder an.

Für weitere Auskünfte sprechen Sie uns an

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Stefan Dold
- Media Relations