Westjordanland: Zugang zu medizinischer Versorgung durch Militäroffensive massiv gefährdet
Jerusalem/Berlin, 6. September 2024. Die groß angelegte Militäroffensive der israelischen Streitkräfte im Westjordanland behindert den Zugang der Menschen zu medizinischer Versorgung erheblich. Zuletzt kam es außerdem zu wiederholten Angriffen des israelischen Militärs auf medizinisches Personal, Krankenwagen und medizinische Einrichtungen.
Die Angriffe, die in den frühen Morgenstunden des 28. August begannen, haben auch weitreichende Schäden an der Straßeninfrastruktur, den Stromnetzen und der Wasserversorgung verursacht. Dies hat schwerwiegende Folgen für die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen in den Städten Dschenin und Tulkarem.
„In der Stadt Tulkarem und den Vertriebenencamps ist die medizinische Versorgung sehr eingeschränkt und die Schäden an der Infrastruktur sind enorm“, berichtet ein Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen. „Es ist fast unmöglich, die Bedürftigen zu erreichen. Die Angriffe erfolgen unangekündigt und die Menschen sind völlig unvorbereitet. Unter anderem berichteten uns Mütter, dass sie nicht genug Nahrung für ihre Babys haben. Die Menschen, die hier leben, fühlen sich eingeschlossen und isoliert.“
Die Teams von Ärzte ohne Grenzen waren durch den Beginn der jüngsten Angriffe gezwungen, ihre Arbeit in den Städten Tulkarem und Dschenin einzustellen.
Unsere Mitarbeitenden sind derzeit in ihrer Bewegungsfreiheit und in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, die Bevölkerung direkt zu unterstützen. Die Militäroperationen müssen enden und der ungehinderte Zugang zu medizinischer Versorgung muss so schnell wie möglich wiederhergestellt werden.“ - Caroline Willemen, Projektkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen.
In Hebron haben die israelischen Streitkräfte den Zugang in die Stadt und aus der Stadt heraus blockiert und Teams von Ärzte ohne Grenzen daran gehindert, ein mobiles Team aufzustellen sowie die außerhalb der Stadt gelegene Entbindungsstation von Ärzte ohne Grenzen zu erreichen. Die Klinik von Ärzte ohne Grenzen in der Stadt ist zwar weiterhin in Betrieb, aber es wird berichtet, dass Patient*innen von den Blockaden und dem Gefühl der Unsicherheit davon abgehalten werden, sie aufzusuchen.
In Dschenin und Tulkarem wurden wiederholt Krankenwagen und Gesundheitspersonal angegriffen, was die medizinischen Aktivitäten stark gefährdet.
„Gepanzerte Fahrzeuge stehen an den Eingängen des von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Khalil-Suleiman-Krankenhauses in Dschenin. Das Krankenhauspersonal hat Mühe, den Betrieb aufrechtzuerhalten, da es nur eingeschränkt Strom und Wasser gibt“, sagt Willemen.
Eine von Ärzte ohne Grenzen ausgebildete freiwillige Ersthelferin beschreibt, wie sie bei der Erstversorgung eines Patienten in einem Lager in Tulkarem verwundet wurde: „Obwohl ich anhand meiner Kleidung als medizinische Helferin erkennbar war, wurde ich bei einem Luftangriff oberhalb des Auges verletzt und von einem Schrapnell getroffen.” Ein anderer freiwilliger Ersthelfer der Organisation berichtete, dass israelische Soldaten in sein Haus eindrangen und ihn bedrohten.
Die jüngsten militärischen Aktivitäten im Westjordanland sind die weitreichendsten seit 2002. Vom 28. August bis zum 5. September wurden nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums 39 Palästinenser*innen getötet und 140 verletzt. Seit Oktober 2023 sind im Westjordanland mehr als 652 Palästinenser*innen getötet worden.
Ärzte ohne Grenzen fordert, dass Zivilist*innen, medizinisches Personal, Krankenwagen, Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser um jeden Preis geschützt werden müssen. Zudem muss der ungehinderte Zugang zur Gesundheitsversorgung und anderen wichtigen Dienstleistungen im Westjordanland gewährleistet werden.
Palästinensische Gebiete
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Wir können nur eingeschränkt helfen und sorgen uns um den Schutz und die Gesundheit der Bevölkerung.