Westjordanland: Ärzte ohne Grenzen warnt vor schweren Folgen der schlechten Gesundheitsversorgung
Jerusalem/Berlin, 8. Januar 2025. Die Menschen im Westjordanland leiden unter den Restriktionen durch israelische Behörden, insbesondere seit Beginn des Gaza-Krieges. Besonders betroffen ist das Gebiet H2 in Hebron. Ärzte ohne Grenzen warnt vor schweren Folgen für die physische und mentale Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung.
Ende 2023 musste Ärzte ohne Grenzen auf Druck israelischer Behörden seine Arbeit im Viertel Dschaber in H2 für mehr als fünf Monate aussetzen. Die Behörden hatten Sicherheitsbedenken als Begründung angegeben. Zwar ist Ärzte ohne Grenzen inzwischen wieder in der Klinik in Dschaber tätig, aber häufig kommt es zu Behinderungen. Mitarbeitende können jederzeit an Checkpoints durchsucht und aufgehalten werden, so Projektkoordinatorin Chloe Janssen. „Der Zugang zu medizinischer Versorgung sollte niemals willkürlich verweigert, behindert oder blockiert werden“, so Janssen.
Auch die mobilen medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen müssen ihre Arbeit immer wieder einstellen oder unterbrechen, etwa weil ihnen die Einfahrt in das Gebiet verwehrt wird oder sie sich an israelischen Feiertagen nur eingeschränkt bewegen dürfen. Normalerweise öffnet Ärzte ohne Grenzen zweimal pro Woche mobile Kliniken in H2, aber von September bis November 2024 war dies in sieben von 26 Fällen nicht möglich. In den mobilen Kliniken werden zweimal wöchentlich 60 bis 70 Patient*innen behandelt. Sie können hier auch psychologische Unterstützung erhalten, die ihnen helfen soll, mit den anhaltend schwierigen Lebensumständen umzugehen.
Von medizinischer Versorgung abgeschnitten zu sein, hat tiefgreifende Auswirkungen. Ärzte ohne Grenzen beobachtet, wie die anhaltenden Restriktionen, Schikanen und Gewaltvorfälle unter anderem eine dramatische Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern zur Folge haben. Kinder weisen Psycholog*innen von Ärzte ohne Grenzen zufolge Symptome auf, die für Traumata typisch sind, darunter Hyperaktivität, Bettnässen, Albträume und Schwierigkeiten in der Schule.
Die Organisation fordert Israel auf, sicherzustellen, dass medizinische Angebote ungehindert wahrgenommen werden können.
H2 umfasst etwa 20 Prozent von Hebron. Kaum ein Gebiet im Westjordanland ist derart von Restriktionen betroffen, darunter strenge Bewegungsvorschriften und systematische Abriegelungen. Außerdem kommt es immer wieder zu Gewalt.
„Die palästinensischen Gebiete sind kein Fall von posttraumatischer Belastungsstörung, weil das Trauma nie endet. Wir sprechen hier von einem kontinuierlichen und komplexen Trauma, das die gesamte Bevölkerung betrifft“, sagt Lucia Uscategui, psychosoziale Beraterin bei Ärzte ohne Grenzen. „Selbst wenn der Konflikt und die Besatzung morgen beendet wären, würden die Folgen noch jahrelang nachwirken.“