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Die Regenzeit wird die Lage geflüchteter Rohingyas noch verschärfen

Es ist die sich am schnellsten zuspitzende Flüchtlingskrise der Welt – fast 700.000 Rohingya sind seit Ende August von Myanmar nach Bangladesch geflohen. Tausende kommen monatlich dazu. Allein Ärzte ohne Grenzen hat die Zahl der Mitarbeiter um das Zehnfache auf mehr als 2.800 erhöht, um den immensen Problemen in den riesigen Lagern um die Stadt Cox’s Bazar zu begegnen. Geflohen vor Gewalt und Zerstörung sind die Geflüchteten hier neuen Gefahren ausgesetzt. Und die Lage droht noch schlimmer zu werden. Denn die Regenzeit naht. Wir warnen vor Krankheitsausbrüchen und fordern umfassende Vorkehrungsmaßnahmen, die auch über längere Zeit tragen. Denn eine baldige Rückkehr nach Myanmar ist unter den derzeitigen Bedingungen kaum vorstellbar.

Tag für Tag kommen Hunderte Menschen mit dem Boot in Sabrang an, erschöpft und traumatisiert. „Mein Mann wurde getötet und der Mann meiner Tochter verschwand. Viele Menschen wurden getötet oder tauchten nie wieder auf. Wie viele andere mussten wir unsere Dörfer, Häuser, unser Land und unsere Tiere zurücklassen. Ich bin erschöpft und kann nicht mehr gehen. Seit drei Tagen habe ich nichts gegessen. Es ist sehr schwer“, berichtet die 70-jährige Subi Katum.

Alarmierende Krankheitsausbrüche

Die gesundheitlichen Bedingungen in den Flüchtlingslagern sind alarmierend. In den vergangenen sechs Monaten haben unsere Teams mehr als 350.000 Patienten ambulant und mehr als 8.000 stationär behandelt. Besonders häufig sind Atemwegserkrankungen, Durchfall und Hautkrankheiten, besorgniserregend sind Ausbrüche von ansteckenden Krankheiten wie Masern oder Diphterie, die tödlich enden können.

Mit der im April beginnenden Regenzeit droht sich die Lage zu verschärfen. Die provisorischen Unterkünfte aus Bambus und Plastikplanen sind oft in hügeliges Gebiet gebaut, wo die Hänge gerodet wurden. So gibt es kaum Schutz vor Wind und Schlammlawinen. Zehntausende könnten obdachlos werden. Latrinen drohen überzulaufen, Wasserstellen zu verunreinigen. Wir warnen vor Krankheitsausbrüchen wie Durchfall, Typhus, Hepatitis, Malaria und Dengue-Fieber und fordern:

  • Die Lebensbedingungen der Geflüchteten müssen massiv verbessert werden, vor allem in Bezug auf Sanitäranlagen, Brunnen und die Art der Unterkünfte. Die Überfüllung in den Lagern muss reduziert werden.
  • Routineimpfungen und eine bessere Vorbereitung auf den Ausbruch von Krankheiten müssen sichergestellt werden.
  • Gegen drohende Naturkatastrophen wie Hurrikane oder Flutwellen müssen umfassende Vorkehrungen getroffen werden.

Gewalt und Angst

Die meisten der Geflüchteten haben extreme Gewalt erlebt. Psychologische Unterstützung zu bieten, ist einer der Schwerpunkte der Arbeit von Ärzte ohne Grenzen vor Ort. Gerade auch für Opfer sexueller Gewalt. 226 Frauen und Mädchen wurden von Ende August bis Ende Februar behandelt. 162 von ihnen waren vergewaltigt worden, mehr als die Hälfte davon war unter 18 Jahren, darunter drei neunjährige Mädchen. Die Hemmschwelle, sich nach solchen Taten behandeln zu lassen, ist immens hoch, dementsprechend größer dürfte die Dunkelziffer sein. Immer wieder kommen Frauen schwer verletzt zu unseren Teams, weil sie versucht haben, ihr auf Vergewaltigungen folgenden Schwangerschaften selbst zu beenden. Im Camp steigt die Zahl der Frauen, die wegen häuslicher Gewalt durch ihren Partner behandelt werden müssen.

Männer wie Frauen berichten, dass sie im Camp nachts Angst haben. Die Lager sind überfüllt, die Notunterkünfte behelfsmäßig und es gibt keine Beleuchtung. Gerade für unverheiratete Frauen und unbegleitete Kinder ist das gefährlich. Unsere Teams haben Bericht von Menschenhandel gehört. „Besonders nachts habe ich große Angst. Ich gehe nicht allein nach draußen, um auf die Toilette zu gehen oder zu duschen. Wir können unsere Tür nicht abschließen, und sogar mein Vater kann nicht schlafen. Ich habe das Gefühl, mir könnte jederzeit etwas passieren“, sagt die 18-jährige Shamemar. Sicherheit scheinen die Geflüchteten nirgends zu finden.

Rückkehr nur unter bestimmten Bedingungen

Majida Katun ist gerade mit ihrem Mann und drei Kindern, das jüngste ist zwei Monate alt, in Bangladesch angekommen: „Wir haben lange mit uns gerungen, ob wir gehen sollen. Wir haben Monate lang gewartet, uns dann aber entschieden, zu gehen. Alle anderen hatten unser Dorf schon verlassen. Mein Mann war Fischer, aber in letzter Zeit war es unmöglich zur arbeiten. Wir mussten alles verkaufen, was wir hatten, um Geld zu haben“, berichtet sie. Ob sie je zurückgehen werden, fragt sie sich selbst: „Wenn wir wüssten, dass die Lage besser wird, dann ja.“

Für uns ist klar: Eine Rückführung der geflüchteten Rohingya nach Myanmar darf nur freiwillig erfolgen und auch nur dann, wenn die Sicherheit dort garantiert wird und die Ursachen der Gewalt angegangen werden. Flüchtlingslager in Myanmar für die Zurückkehrenden würde die Gräben zwischen den Rohingya und der burmesischen Bevölkerung nur noch vertiefen und langfristige Lösungen erschweren.

Hintergrund

Im November vergangenen Jahres führten wir in Cox’s Bazar sechs Untersuchungen zum Gesundheitsstatus von Angehörigen der Rohingya-Bevölkerungsgruppe durch, auch die Sterblichkeitsraten wurden analysiert. Wir schätzen, dass zwischen dem 25.8. und dem 24.9. mindestens 9.400 Rohingya starben, unter ihnen mindestens 6.700 an den Folgen von Gewalt. Der vollständige Bericht steht hier als PDF zur Verfügung: