Alarmierende Situation in Bagdad – täglich fast 4.000 neue Fälle
Die Covid-19-Pandemie hat im Irak besorgniserregende Ausmaße angenommen: Das Land meldet derzeit täglich fast 4.000 Neuinfektionen und wöchentlich etwa 500 Todesfälle. „Wir sehen in Bagdad immer mehr schwere Covid-19-Fälle", berichtet Dr. Pedro Serrano Guajardo, der bis vor Kurzem für uns im Irak im Einsatz war. Trotz aller Bemühungen im Kampf gegen das Virus droht die zunehmende Zahl schwerer und kritischer Fälle das Gesundheitssystem zu überfordern. Mit fast 30 Prozent der gemeldeten Fälle ist die Hauptstadt Bagdad am schlimmsten betroffen.
„Besonders schwierig ist es, einen Patienten sterben zu sehen und zu wissen, dass man kein Beatmungsgerät für ihn zur Verfügung hat“, erinnert sich Intensivmediziner Pedro Serrano Guajardo. Die Beatmungsstation im Al-Kindy-Krankenhaus verfügt über 52 Betten, die derzeit alle voll belegt sind. Hierher kommen vor allem Patient*innen, die schwer an Covid-19 erkrankt sind. Wegen der eskalierenden Notlage haben unsere Mitarbeiter*innen die Arbeit auf der Station unterstützt und das Personal unter anderem in der korrekten Beatmung von Patient*innen, in der Medikamentengabe sowie in Therapietechniken geschult. Jetzt planen wir, die Hilfe im Irak und speziell in der Hauptstadt Bagdad auszuweiten.
Volle Betten und lange Wartelisten
"Viele Patient*innen bleiben 15 bis 20 Tage auf der Beatmungsstation. Das bedeutet, dass manchmal neue Erkrankte für zwei, drei Tage auf die Warteliste gesetzt werden, bis sie die erforderliche Behandlung erhalten können. Bis wir dann ein freies Bett haben, sind die Patient*innen in einer wirklich schlechten Verfassung", sagt Pedro Serrano Guajardo.
Doch die Wartelisten und die mangelnde Kapazität an Intensivbetten sind nicht die einzigen Probleme in Bagdad. Er erklärt weiter: „Einige Menschen in der Stadt erkennen den Ernst der Lage nicht, und sie halten sich nicht an Präventionsmaßnahmen. Sie kommen auch erst ins Krankenhaus, wenn es fast zu spät ist, um sich behandeln zu lassen. Einige haben akute Atemnot, und es ist sehr schwierig, sie zu behandeln, wenn sie diesen Punkt erreicht haben."
„Menschen sterben sehr schnell und jeden Tag“
Diese Menschen scheinen eine Behandlung aufgrund des starken sozialen Stigmas, das in ihrer Umgebung mit Covid-19 einhergeht, zu vermeiden. „Ich glaube, dass viele Menschen erst dann merken, wie schlimm die Situation ist, wenn sie selbst oder jemand, den sie lieben, ins Krankenhaus kommt. Dann sehen sie, wie Menschen sterben, sehr schnell und jeden Tag. Erst dann erkennen sie, wie ernst die Lage ist“, sagt unsere Einsatzleiterin Gwenola Francois.
„Wir geben unser Bestes, um die Bemühungen der irakischen Gesundheitsbehörden bei der Bekämpfung des Virus in Bagdad zu unterstützen. Die Anzahl von Patient*innen ist jetzt hoch, aber an welchem Punkt der Pandemie wir sind, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Von dem ausgehend, was wir sehen, ist die Situation zutiefst besorgniserregend“, zeigt sich unsere Einsatzleiterin alarmiert.
Unterstützung für ein überstrapaziertes Gesundheitswesen
Zurzeit arbeiten wir gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden an zusätzlichen Maßnahmen, um den Menschen in Bagdad zu helfen. Denn nicht nur die Infektionslage in der Bevölkerung allgemein gibt Grund zur Besorgnis, auch das irakische Gesundheitspersonal ist mit fast 15.000 Fällen seit Beginn der Covid-19-Pandemie stark betroffen. Damit hat sich die aufgrund des Personalmangels ohnehin schon kritische Situation in mehreren Krankenhäusern in Bagdad weiter verschlimmert.
Deswegen behandeln wir einerseits Covid-19-Patient*innen und unterstützen andererseits das medizinische Personal im Irak. In Mossul haben wir bereits zu Beginn der Pandemie einen Teil des von uns unterstützten postoperativen Pflegezentrums zur Covid-19-Behandlungseinrichtung umfunktioniert. Zusätzlich haben wir eine Isolations- und Behandlungseinrichtung mit zwanzig Betten im Geflüchtetencamp Laylan im Bezirk Kirkuk eingerichtet. In enger Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden planen wir für Bagdad die Eröffnung einer neuen Covid-19-Station im Al-Kindy-Krankenhaus. Darüber hinaus geben unsere Mitarbeiter*innen immer wieder Schulungen zur Infektionsprävention in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen des Landes.