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Eine Chance auf Heilung - Das Al-Wahda Krankenhaus in Mossul

Auch vier Jahre nach dem Ende des Kampfes gegen die Gruppe "Islamischer Staat" hat sich das Gesundheitssystem der Stadt Mossul im Irak noch nicht erholt. Für viele Menschen, die in den Kampfhandlungen oder durch Unfälle Verletzungen erlitten haben, ist es immer noch schwierig, eine adäquate medizinische Nachsorge zu erhalten. Aus diesem Grund arbeiten wir seit 2018 im Al-Wahda-Krankenhaus in Mossul und bieten dort rekonstruktive Chirurgie sowie postoperative Versorgung an.

Im Bezirk Ninawa gibt es insgesamt einen Mangel an qualifiziertem OP-Personal und postoperativer Versorgung. Wir versuchen, diese Lücke in Mossul zu schließen und den Patient*innen eine Chance auf Heilung zu geben." Dr. Yuely Capileno, unsere medizinische Teamleiterin. 

Kaum Behandlungsmöglichkeiten 

Viele Menschen in Mossul leben mit schweren Verletzungen, die ihr Leben extrem beeinträchtigen. Die meisten, die während des Konflikts verwundet wurden, haben nicht die notwendige Nachsorge erhalten, damit ihre Verletzungen richtig heilen konnten. Dies hat bei einigen von ihnen zu Komplikationen wie Infektionen und eingeschränkter Mobilität geführt und in manch schweren Fällen sogar Amputationen erforderlich gemacht. Die unvollständige orthopädische Versorgung in den öffentlichen Krankenhäusern und die schwierige wirtschaftliche Lage im Irak, machen es für Verletzte schwer, ausreichend behandelt und nachversorgt zu werden. Oft haben sogar diejenigen, die sich eine Behandlung in einem privaten Krankenhaus leisten können, Schwierigkeiten, angemessen versorgt zu werden.

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Ein junger Mann mit Gesichtsmaske und einer Krücke in einem Flur
Saqr Badr im Al-Wahda Krankenhaus nach seiner Entlassung. Für ihn ist es “der einzige Ort, an dem ich behandelt werden konnte.”
© Ahmed Kaka/MSF

Ein Fluchtversuch und seine dramatischen Folgen

"Ich wurde von den Sanitätsposten an der Frontlinie behandelt und zur Stabilisierung in ein Krankenhaus geschickt", sagte Saqr Badr, dem 2017 bei seinem Fluchtversuch aus Mossul von einem Scharfschützen ins Bein geschossen wurde. "Nach der Entlassung hatte ich aber immer noch eine große Wunde am Bein, die sich regelmäßig infizierte. Ich musste lange Zeit im Bett bleiben und konnte mein Bein nicht bewegen." 

2018 verbrachte Saqr Badr zwei Monate im irakischen Al-Wahda-Krankenhaus, bevor er zum Abschluss der Behandlung an unser Fachkrankenhaus für rekonstruktive Chirurgie in Amman, Jordanien überwiesen wurde. "Als ich zurückkam, konnte ich endlich wieder laufen", sagt er. "Aber vor vier Monaten hatte ich einen Arbeitsunfall und brach mir das Bein erneut an der gleichen Stelle.” Er kam erneut zu uns ins Al-Wahda Krankenhaus in Mossul. “Es bleibt weiterhin der einzige Ort, an dem ich behandelt werden konnte," berichtet er. 

 

Anpassung an die Bedürfnisse 

Als die Covid-19-Pandemie 2020 den Irak erreichte, wurde das Krankenhaus vorübergehend in eine Covid-19-Einrichtung umgewandelt. "Wir wollten das Gesundheitssystem weiterhin unterstützen, und zu diesem Zeitpunkt erschien es uns logisch, die Dienste in unserer Klinik vorübergehend umzustellen", sagt Dr. Yuely Capileno. Von März bis Dezember 2020 wurden im Al-Wahda Krankenhaus fast 1.000 Covid-19 Patient*innen betreut. 

Als das Krankenhaus Anfang 2021 zu seinem regulären Betrieb zurückkehrte, erwiesen sich die für die Behandlung von Covid-19 geschaffenen Veränderungen auch als nützlich für die postoperative Versorgung. 

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Eine Krankenstation für Covid-19 Patient:innen und Mitarbeitenden in Schutzkleidung
Für die Behandlung von Covid-19 Patient*innen wurde das Al-Wahda Krankenhaus umstrukturiert. Einige der Veränderungen, wie die Isolationszimmer, eignen sich auch gut für den regulären Betrieb.
© MSF

"Die Isolationszimmer zum Beispiel sind auch für unsere regulären Aktivitäten sehr nützlich", sagte Dr. Capileno. "Viele Patient*innen, die in die postoperative Versorgung aufgenommen werden, kommen mit multiresistenten Infektionen bei uns an und zusätzlich ist Antibiotikaresistenz im ganzen Land ein Problem,” erklärt die Ärztin. “Betroffene Patient*innen werden daher in Einzelzimmern untergebracht und nicht auf offenen Stationen, um die Übertragung der Infektion auf andere Patient*innen zu vermeiden."  

Außerdem wurden jüngst auch zwei neue Operationssäle gebaut, um Platz für fortschrittliche Chirurgie zu schaffen.

Die Patient*innen, die zu uns kommen, sagen uns oft, dass sie nicht wissen, was sie getan hätten, wenn wir nicht hier wären. Indem wir unsere Aktivitäten anpassen und erweitern, können wir relevante medizinische Dienstleistungen für mehr Menschen anbieten, die sie benötigen", sagt Dr. Capileno.

Seit Beginn des Jahres 2021 haben unsere Teams mehr als 400 chirurgische Eingriffe durchgeführt und mehr als 2.600 Patient*innen in der Ambulanz beraten. Gleichzeitig bieten wir auch psychologische Betreuung, Gesundheitsförderung und Physiotherapie an. 

Um den Wiederaufbau des Gesundheitssystems in Mossul zu unterstützen, bietet Ärzte ohne Grenzen auch eine umfassende und grundlegende Geburtshilfe in der Stadt an: Im Juni 2017 wurde das Nablus-Krankenhaus im Westen Mossuls eröffnet, um eine sichere, qualitativ hochwertige und kostenlose Versorgung von Müttern und Neugeborenen zu gewährleisten. Zusätzlich nahm im Juli 2019 eine kleinere Einrichtung im Al Rafadain Primary Health Care Center, ebenfalls im Westen von Mossul, mit den gleichen Schwerpunkten ihre Arbeit auf. Zusammengenommen haben diese beiden Einrichtungen im Jahr 2020 mehr als 11.500 Babys aufgenommen. Unsere Teams bieten außerdem eine hochwertige Versorgung für kranke und frühgeborene Kinder, Familienplanungsdienste und gynäkologische Beratungen an.