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„Marsch der Rückkehr“ – Anstieg an Verletzten nach Unruhen im Gazastreifen

Seit dem 1. April haben wir im Gazastreifen mehr als 500 Menschen mit Schussverletzungen medizinisch versorgt. Damit waren es in den vergangenen drei Wochen drei Mal so viele Patientinnen und Patienten wie im gesamten Jahr 2014 während der groß angelegten israelischen Militäroffensive “Protective Edge”. Unser medizinisches Personal vor Ort berichtet von ungewöhnlich schweren Verletzungen, die sehr komplexe Behandlungen brauchen. Die meisten der Patienten werden infolge ihrer Verletzungen langfristige Nachbehandlungen benötigen.

Nach den Protesten der vergangenen Wochen berichten unsere Chirurgen von Hunderten Menschen mit schweren Schussverletzungen. Die große Mehrheit der Patienten, hauptsächlich junge Männer, aber auch Frauen und Kinder, haben ungewöhnlich schwere Verletzungen in den unteren Extremitäten. Unsere Teams in Gaza stellen sich darauf ein, dass der Zustrom von Verletzten möglicherweise anhält. Die Proteste zum „Marsch der Rückkehr“ sollen bis in den nächsten Monat gehen.

Nicht alle Verletzungen lassen sich in Notoperationen versorgen

Unsere Chirurginnen und Chirurgen müssen angesichts des Zustroms von Verletzten vor allem notoperieren. Doch wie unser Orthopäde Thierry Saucier erklärt, kann dabei längst nicht allen Problemen begegnet werden: „Bei Beinwunden kümmern wir uns hauptsächlich um Wundbehandlung, bei denen abgestorbenes Gewebe entfernt wird. Wenn der Knochen getroffen wird, installieren wir ausschließlich externe Fixatoren.“ Thierry Saucier fügt hinzu, dass Nerven, Muskeln und Sehnen während einer Notfalloperation normalerweise nicht unmittelbar wiederhergestellt werden können. Solche Verletzungen erfordern Nachbehandlungen. Die Patientinnen und Patienten benötigen häufig auch sehr komplexe Operationen. Falls sie nicht ausreichend versorgt werden oder die Genehmigung für eine Behandlung außerhalb des Gazastreifens erhalten, können beispielsweise Amputationen notwendig werden. Viele werden ein Leben lang mit körperlichen Einschränkungen leben müssen. Insbesondere, wenn keine entsprechenden Folgebehandlungen möglich sind. Neben der normalen Pflege brauchen Patienten oft zusätzliche Operationen, Langzeit-Physiotherapie und Rehabilitationsmaßnahmen.

Zusätzliches Personal, um so vielen wie möglich so lange wie nötig zu helfen

Angesichts der vielen Patienten, die in den vergangenen drei Wochen die von uns unterstützten Einrichtungen erreichten, haben wir unsere Kapazitäten aufgestockt, die Bettenanzahl in den postoperativen Kliniken erhöht und mehr medizinisches Personal angefordert. Eine vierte Klinik wird bald im Zentrum des Gaza-Streifens eröffnen, um den Menschen spezialisierte medizinische Versorgung anbieten zu können.

Zudem haben wir ein Team von Chirurgen, darunter Gefäßchirurgen, Orthopäden und plastische Chirurgen sowie Anästhesisten eingesetzt, um schwere Fälle operieren zu können. Dieses Team arbeitet zurzeit gemeinsam mit palästinensischem medizinischem Personal in öffentlichen Krankenhäusern in Al-Schifa und Al-Aksa. Eine Notwendigkeit, wie Thierry Saucier erklärt: „Obwohl Patienten durch Notfalloperationen stabilisiert werden, sind bei den meisten zusätzliche Operationen nötig. Und natürlich wird die Rehabilitation Monate oder sogar Jahre dauern, ohne die Garantie, dass sie jemals wieder ihre volle körperliche Fähigkeit erlangen.“