Mit Kamelen und Eseln in Dörfer Darfurs
Im Sudan hat sich nach den Unruhen 2019 und der darauf folgenden Bildung einer Übergangsregierung viel geändert. Doch in der weit von der Hauptstadt Karthum entfernten Region Darfur ist die Sicherheitslage immer noch anfällig. Die dortige Gebirgsregion Jebel Marra war bisher für Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen tabu – die Menschen waren über Jahre ohne medizinische Versorgung. Endlich waren unsere Verhandlungen erfolgreich, dort arbeiten zu können. Mit Hilfe der Gemeinde Dilli und Dank ganz spezieller Gefährten wurde das möglich: Esel und Kamele helfen, Mitarbeiter*innen und Material zu unserer neuen Klinik zu bringen.
“Die Situation hier war sehr schwierig: Die Gemeinde im Dorf Dilli hatte mehrere Jahre lang keinen Zugang zu medizinischer Versorgung", sagt Mohamed Abdallah Juma, einer der Gemeindevorsteher des Dorfs, das in der Region Jebel Marra in Darfur liegt, im Westen des Sudans.
"Wir sind begeistert, dass es uns nach mehrmonatigen Verhandlungen mit Behörden und lokalen Gemeindevorstehern gelungen ist, die Klinik in Dilli zu errichten”, sagt unsere Projektkoordinatorin Anna Bylund: "Den Menschen in den Gemeinden und Dörfern rund um Dilli mangelt es aber noch an vielem, wie Nahrungsmitteln und Bildungsmöglichkeiten."
Seit März 2021 betreibt eines unserer Teams eine Klinik im Süden von Jebel Marra und bietet den Menschen in der Gebirgsregion eine kostenlose medizinische Versorgung. Die Patient*innen kommen aus mehr als 60 verschiedenen Dörfern, und für einige ist der Weg immer noch sehr weit: Sie sind bis zu zehn Stunden mit dem Esel unterwegs, um die Klinik zu erreichen.
Gebären auf dem “Eselspfad” oder unterwegs sterben
Die Menschen erzählen von den Jahren, in denen sie nahezu ohne medizinische Versorgung lebten. Frauen, die in den Wehen lagen, mussten fast fünf Stunden mit dem Esel zum Krankenhaus im ländlichen Kass fahren oder sich von anderen Frauen auf einem Bett tragen lassen. Viele Frauen erreichten das Krankenhaus nicht rechtzeitig und entbanden auf dem so genannten Eselspfad. Andere Frauen mit Geburtskomplikationen verloren ihr Leben, während sie in die weit entfernten Städte gebracht wurden, “in denen es irgendeine Form der medizinischen Versorgung gab" - so Mohamed Abdallah Juma. Er berichtet davon, wie sich Krankheiten ausgebreitet hätten und dass die Müttersterblichkeit sehr hoch gewesen sei. Andere erzählten unseren Mitarbeiter*innen sogar davon, dass sie von Amputationen gehört hätten, die mit einer Holzsäge gemacht worden seinen.
Die Klinik wurde möglich durch gemeinsame Anstrengungen
Die Dorfbewohner*innen in Dilli und Umgebung halfen unserem Team beim Aufbau der Klinik und haben uns auch Kamele und Esel geliehen, um medizinische Hilfsgüter zu transportieren: "Was mich wirklich berührt hat, ist die Akzeptanz der Gemeinde und ihr sehr herzliches Willkommen", sagt Anna Bylund. "Die Bevölkerung hat auf uns gewartet, und es besteht kein Zweifel, dass unsere humanitäre Gesundheitsversorgung in dieser Gegend gebraucht wird. Für uns ist es wichtig, dass wir Hand in Hand mit der Gemeinde arbeiten, um ihre Bedürfnisse zu verstehen und zu versuchen, uns für diese Menschen einzusetzen, die jahrzehntelang völlig von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten waren."
Die Menschen in Darfur haben unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten, und noch immer kommt es zu Gewalt zwischen der Regierung und verschiedenen bewaffneten Gruppierungen und Gemeinden. Das ist vor allem in und um Jebel Marra der Fall, das sich über Teile der Regionen Nord-, Zentral- und Süd-Darfur erstreckt. Seit 2003 ist das Gebiet die größte Hochburg der Sudanesischen Befreiungsbewegung unter der Führung von Abdul Wahid Al-Nur.
Auch die Teams brauchen fünf Stunden mit Kamelen und Eseln
Unsere Teams erreichen unsere neue Klinik in Dilli nach einer dreistündigen Fahrt von unserem Stützpunkt in Nyala aus, gefolgt von einem zweistündigen Marsch über schmale, felsige Pfade auf dem Rücken eines Esels. Der gesamte Nachschub für die Einrichtung wird auf Eseln oder Kamelen transportiert.
Die Klinik bietet medizinische Grundversorgung, Gesundheitsfürsorge für Mütter und Ernährungsberatung. In den beiden Monaten seit der Eröffnung haben wir dort mehr als 6.300 ambulante Behandlungen und 500 Schwangerschaftsuntersuchungen vorgenommen, 106 Kinder auf schwere akute Mangelernährung und 173 auf mäßige akute Mangelernährung untersucht. Weil akuter Durchfall zu den Hauptkrankheitsbildern in der Gegend zählt, arbeiten wir auch daran, die Wasserversorgung und die sanitären Einrichtungen zu verbessern. Das Team betreut außerdem unter anderem Maßnahmen zur Gesundheits- und Hygieneförderung.
Ärzte ohne Grenzen ist seit 1978 im Sudan tätig. Derzeit bieten unsere Teams medizinische Versorgung in den Bundesstaaten Khartum, Zentral-Darfur, Ost-Darfur, Süd-Darfur, West-Darfur, Kassala, Gedarif und Weißer Nil. Neben der Klinik im Dorf Dilli betreiben wir ein ähnliches Projekt in der Ortschaft Omo in Jebel Marra. Wir startet auch regelmäßig Nothilfemaßnahmen in anderen Teilen des Landes.