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Sudan: Krieg im Schatten der Weltöffentlichkeit

Seit April 2023 dauert der Krieg zwischen den sudanesischen Streitkräften und den Rapid Support Forces an. 11 Millionen Menschen wurden wegen der Gewalt vertrieben – das entspricht ungefähr der Bevölkerung Griechenlands. Etwa jede*r Zweite im Land ist laut Vereinten Nationen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Etwa die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung ist arbeitslos, lebenswichtige Güter fehlen und mehr als jede*r Dritte ist von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. In der westlichen Region Darfur hat das IPC Famine Review Committee die dortige Ernährungskrise im Samsam Vertriebenencamp als Hungersnot eingestuft. 

Fast 80 % der medizinischen Einrichtungen sind nicht mehr funktionsfähig. Gleichzeitig erleben wir, wie Gesundheitseinrichtungen angegriffen werden. An vielen Orten im Sudan sind wir die einzige Hilfsorganisation mit internationaler Präsenz und der Bedarf übersteigt unsere Kapazitäten. Angesichts des Kriegs im Sudan fehlt es massiv an Hilfe – beispielhaft dafür ist die Situation im Samsam-Camp in Nord-Darfur, wo wir zwischenzeitlich unser ambulantes Ernährungsprogramm einstellen mussten. Erst ab 6.11. konnten wir diese für das Leben tausender Kinder so wichtige Aktivität vorläufig wieder aufnehmen. Da aufgrund des Kriegs im Sudan hunderttausende Menschen in Nachbarländer geflohen sind, helfen wir Menschen auf der Flucht auch dort – beispielsweise im Tschad und im Südsudan.

 

Eine Frau gebar auf der Flucht ihr Kind. Später wurde ihr ein einziger Platz in einem Auto angeboten. Sie entschied sich dafür, ihn ihrer Mutter mit ihrem Neugeborenen zu geben. Sie selbst lief mit ihren anderen Kindern weiter, ohne zu wissen, ob sie ihr Neugeborenes je wiedersehen würde. Niemand sollte in die Situation kommen, solch unmögliche Entscheidungen treffen zu müssen. [...] Als Großmutter und Kind bei uns im Tschad ankamen, war das Baby schwer mangelernährt, und wir nahmen es in unsere Obhut. Erst Wochen später traf seine Mutter mit den anderen Kindern dort ein.
 

-Claire San Filipo, Notfall-Koordinatorin bei Ärzte ohne Grenzen

So helfen wir im Sudan

Die Gewalt durch beide Konfliktparteien behindert unsere Arbeit im Land: Allein in der Stadt Al-Faschir in Nord-Darfur gab es seit Mai zwölf Angriffe auf Einrichtungen, die von uns unterstützt werden. Auch an anderen Orten werden Hilfsgüter beschlagnahmt und Lieferungen behindert, Einrichtungen geplündert, Medikamente gestohlen und Mitarbeitende bedroht. Es fehlen Visa. Die sudanesischen Behörden blockieren beispielsweise den Zugang für Personal und Hilfsgüter in Regionen, die von den Rapid Support Forces kontrolliert werden. Unterschriften und Stempel können im Sudan genauso tödlich sein wie Kugeln und Bomben. Dennoch tun fast 1.500 sudanesische und mehr als 230 internationale Mitarbeiter*innen ihr Möglichstes, um die Menschen zu unterstützten. Darunter sind die im Folgenden aufgeführten Aktivitäten (allein für den Zeitraum zwischen Januar und September 2024): 

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Das fordern wir angesichts des Kriegs im Sudan

  • Wir fordern alle Konfliktparteien auf, Zivilist*innen zu schützen und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Medizinisch-humanitäres Personal muss im ganzen Land sicher arbeiten können. Alle Menschen im Land müssen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Die Lieferung lebensrettender Hilfsgüter darf nicht blockiert werden. Alle Grenzübergänge müssen für eine ausreichende Versorgung aller Regionen genutzt werden können.  
  • UN-Organisationen, internationale Nichtregierungsorganisationen und Länder weltweit sollten ihre Rolle bei der Hilfe für die Menschen in Sudan stärker ausfüllen und mehr auf die Einhaltung der humanitären Grundsätze dringen.  
  • Trotz der schwierigen Bedingungen muss die Hilfe ausgeweitet werden. Insbesondere für die Region Nord-Darfur rufen wir die internationale Gemeinschaft dazu auf, durch eine schnelle und umfassende Mobilisierung, Menschenleben zu retten und vor allem Nahrungsmittel, Trinkwasser und medizinische Versorgung zugänglich zu machen.  

Kriegsregion Darfur im Sudan: Wo Nahrung und Impfstoffe fehlen, sind Kinderleben in Gefahr 

Vielerorts ist die medizinische Versorgung für Kinder in Gefahr: Die Abdeckung mit Impfungen ist im Sudan für sie gering. Deshalb leben sie mit einem hohen Risiko, sich mit eigentlich vermeidbaren Krankheiten wie Masern oder Kinderlähmung anzustecken.  Impfungen gehören daher zu unseren Aktivitäten. 

Im Mai 2024 musste in Nord-Darfur das Kinderkrankenhaus in Al-Faschir infolge eines Luftangriffs schließen. Die Klinik war Anlaufstelle für die Menschen in der gesamten Region Darfur - einer Fläche die größer ist als die von Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen. Andernorts unterstützen wir weiterhin mehrere pädiatrische Abteilungen und behandeln mangelernährte Kinder.  

In Nord-Darfur arbeiten wir auch in einem der größten Camps, im Samsam-Camp. Die Situation der Menschen, und insbesondere der Kinder, ist dort lebensbedrohlich. Im August 2024 hat das IPC Famine Review Committee die dortige Ernährungskrise als Hungersnot eingestuft. In dieser Lage mussten wir nach monatelangen Blockaden der Kriegsparteien unsere Aktivitäten vorübergehend einschränken und unsere ambulante Versorgung zeitweise einstellen. Im November 2024 konnten wir diese für das Leben tausender Kinder so wichtige Aktivität wieder aufnehmen, nachdem hochkalorische Fertignahrung eingetroffen ist. Sie reicht aus, um die Arbeit für zunächst 50 Tage fortzusetzen. Nur in dem 80 Betten umfassenden Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen im Camp konnten wir dauerhaft jene Kinder behandeln, die am stärksten vom Tod bedroht sind. 

Es besteht ein dringender und massiver Bedarf an Nahrungsmitteln, um den Menschen zu helfen, die sich derzeit in einer katastrophalen Situation befinden. Ärzte ohne Grenzen ruft alle Konfliktparteien auf, die Lieferung humanitärer Hilfe in das Camp zu erleichtern.“ 
- Michel-Olivier Lacharité, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen.

Eine Verschlechterung der Ernährungssituation trifft aber auch auf das ganze Land zu: 

Mangelernährung im Sudan 

  • 25,6 Millionen Menschen sind laut World Food Programm (WFP) von akutem Hunger betroffen (IPC-Phase 3 bis 5). Das entspricht der Hälfte der Gesamtbevölkerung des Sudan.  
  • In 14 Gebieten besteht laut WFP die Gefahr einer Hungersnot, die 755.000 Menschen betrifft (IPC-Phase 5). Dies ist das erste Mal, dass diese höchste Stufe der Ernährungsunsicherheit im Sudan festgestellt wurde. 
  • 30.000 akut mangelernährte Kinder haben wir innerhalb eines Jahres behandelt. 

ThemenTalk: "Sudan - (Un-)mögliche Hilfe"

In unserem Thementalk vom Oktober 2024 berichtet unsere Kolleg*in Maria Fix live aus der Region Darfur. Im Austausch mit der Leiterin unserer politischen Abteilung, Lara Dovifat, geht es um die Möglichkeiten und Grenzen unserer Hilfe im Sudan.

Rund 11 Millionen Menschen hat der Krieg bereits vertrieben 

Während die meisten Menschen - etwa 8,1 Millionen - im Sudan selbst Schutz vor den Kämpfen suchen, sind andere über die Landesgrenzen in den Südsudan und Tschad geflohen. Aufgrund weiterer Eskalationen sind mittlerweile viele von ihnen mehrfach vertrieben. Im Folgenden möchten wir eine von ihnen zu Wort kommen lassen.

Martha Kaliba berichtet:

In ihrem Brief beschreibt sie, wie es ist, als Mutter mit sechs Kindern vor Luftangriffen zu fliehen. 

Ein Blick in die Geschichte des Sudan: Kriege und Dürren machen humanitäre Hilfe notwendig 

Seit 1979 leisten wir humanitäre Hilfe im Sudan, wo Bürgerkriege, Dürren und Hungersnöte die Menschen vor große Herausforderungen stellen. Unser Engagement begann kurz vor dem zweiten sudanesischen Bürgerkrieg von 1983 bis 2005 zwischen dem Norden und dem Süden des Landes. Wir leisteten medizinische Hilfe, versorgten Vertriebene und mangelernährte Kinder. Als der Konflikt in der sudanesischen Region Darfur ausbrach, der zu Völkermordvorwürfen und Massenvertreibungen führte, waren wir eine der ersten internationalen Organisationen, die auf die humanitäre Krise aufmerksam machten und trotz enormer logistischer Herausforderungen und Sicherheitsproblemen die notwendige medizinische Hilfe leistete.

Seit der Unabhängigkeit des Südsudans setzen wir unsere Hilfe in beiden Ländern fort: Wir arbeiten in der Notfallmedizin, kümmern uns um die Gesundheit von Frauen, behandeln mangelernährte Kinder, führen Impfkampagnen durch, sind mit mobilen medizinischen Teams vor Ort und haben Programme für HIV- und Tuberkulosepatient*innen.

Als im April 2023 im Sudan der Krieg ausbrach, wurden viele der bisherigen Aktivitäten eingestellt, während gleichzeitig gezielte Nothilfe-Projekte anliefen. Unsere Arbeit in Nord-Darfur und am Blauen Nil konnten wir vor allem dank der Anstrengungen unserer lokalen Mitarbeitenden weiterführen. 

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Ein Krieg gegen Menschen: Die humanitären Kosten von Konflikt & Gewalt im Sudan

Unser Report zeigt die katastrophalen Folgen des Sudankriegs für die Gesundheit der Menschen und das Ausmaß an Gewalt auf.

Auswirkungen von Konflikten auf die Gesundheit von Müttern & Kindern in Darfur

Die Konflikte im Sudan haben zu einer schweren Krise in der Gesundheitsversorgung von Müttern und zu Mangelernährung bei Kindern geführt.

Zuletzt aktualisiert am 13.11.2024