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Sudan: Rettungsanker auf der Flucht

Mitten in der Nacht schlug eine Granate ein

Auch in Wohngebieten gibt es Bombardierungen, Granatenbeschuss und Häuserkämpfe. Bereits zu Beginn des Krieges im vergangenen Jahr waren viele Menschen von den Kämpfen zwischen den sudanesischen Streitkräften und der paramilitärischen Gruppe der Rapid Support Forces betroffen. Auch das Haus von Salem Osman in der Hauptstadt Khartum geriet unter heftigen Beschuss. Seine hochschwangere Frau blieb unverletzt, er selbst wurde am Arm getroffen und sein Sohn erlitt eine lebensgefährliche Kopfverletzung. Noch in Khartum erhielt sein Sohn eine erste lebensrettende Notoperation. 

Danach verließ die Familie die Stadt, in der sie sich ein neues Leben aufgebaut hatte. Sie war vor Jahren nach Khartum geflohen, um der Gewalt in der westlichen Region Darfur zu entkommen. Doch nun herrschte erneut Krieg, und sie mussten wieder fliehen. Diesmal suchten sie in der etwa 200 Kilometer entfernten Großstadt Wad Madani Schutz. Dort angekommen kamen sie zunächst in unsere Klinik, da der Sohn heftige Schmerzen hatte. Eine Bleibe fanden sie in einem der Camps für Vertriebene – mit Zehntausenden weiteren Menschen, die aus Khartum fliehen mussten. 

Jeden Tag warteten mehr als 200 Patient*innen

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Ahmed Ibrahim untersucht ein Kind.
Ahmed Ibrahim untersucht im Camp von Wad Madani ein Kind.
© MSF

Ahmed Ibrahim arbeitete als Arzt in unserer provisorischen Klinik in Wad Madani. Er und sein Team behandelten Mangelernährung, Masern und Cholera, boten psychologische Unterstützung an und versorgten Menschen mit Asthma, Diabetes und Herzproblemen. Jeden Tag warteten mehr als 200 Patient*innen unter den Arkaden am Eingang des kleinen Klinikbungalows auf eine Behandlung. Doch Ibrahim bewahrte stets die Fassung: Mit einem imitierten Vogelzwitschern begann er immer wieder gut gelaunt die Behandlung von Kindern, wenn sie endlich an der Reihe waren.

Salem Osman hatte bei seiner Ankunft im Camp Mühe, mit den harten Umständen zurechtzukommen: „Es fiel mir schwer, meine schwangere Frau und meinen verletzten Sohn zu versorgen. Er konnte weiterhin nicht laufen und hat sich zudem vor den Geräuschen der Schüsse gefürchtet, die aus der Ferne zu hören waren“, berichtet er. Auch wegen der medizinischen Versorgung blieb Osman mit seiner Familie daher zunächst in Wad Madani – zum Glück: Seine Frau brachte dort ihr Kind zur Welt. Auch erhielt sie in unserer Klinik medizinische Hilfe, nachdem sie wegen starker Nachblutungen zusammengebrochen war.

Ich fühle mich meinen Patient*innen gegenüber verpflichtet

Im Dezember 2023 erreichte der Krieg dann auch Wad Madani. Ahmed Ibrahim und sein Team behandelten mehr und mehr Menschen mit schweren Schusswunden, bis sie ihre Patient*innen schließlich evakuieren mussten. Bewaffnete verhörten Ibrahim und seine Mitarbeiter*innen und beschlagnahmten ihre Fahrzeuge, woraufhin das Team ebenfalls fliehen musste: „Sieben Monate lang hatten wir unermüdlich Patient*innen behandelt. Wir waren in Wad Madani zu einem Rettungsanker für unzählige Menschen auf der Flucht geworden.“ Ibrahim arbeitet weiterhin als Arzt im Sudan – nun an einem anderen Ort, doch auch dort hört er pausenlos den Lärm von Bomben.

Auf Mediziner*innen wie ihn verlassen sich auch Salem Osman und seine Familie: Als sie erneut flüchten mussten, steuerten sie eine weiter östlich gelegene Ortschaft an, wo unsere Teams ebenfalls präsent waren. Ein Freund hatte ihnen den Tipp gegeben. „Für mich ist es entscheidend, dass mein Sohn eine umfassende Behandlung erhält“, sagt Osman. Er benötigt eine weitere Operation, die in Wad Madani nicht mehr vorgenommen werden konnte: Der Krieg hatte die Familie zu schnell eingeholt.

Krieg im Sudan: Es braucht mehr humanitäre Hilfe!

Jede*r Zweite im Sudan ist auf humanitäre Hilfe angewiesen, jede*r Dritte von Hunger betroffen. Vielerorts sind wir die einzige Hilfsorganisation.