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Ohne Technologietransfer keine #Impfgerechtigkeit

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Meike Schwarz

Meike Schwarz

Ich arbeite in der politischen Abteilung von Ärzte ohne Grenzen und bin Expertin für den gerechten Zugang zu Medikamenten und bedarfsgerechte Impfstoffherstellung und -verteilung.

“Gemeinsam” hieß es zu Beginn der Pandemie. Die Staats- und Regierungschef*innen der G20-Länder beteuerten auf der Covid-19-Geberkonferenz im Mai 2020 das globale Problem global bewältigen zu wollen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen veröffentlichte anlässlich der Konferenz gemeinsam mit anderen Regierungschef*innen der EU und Kanada ein Statement, in dem es heißt:  

Wenn wir einen Impfstoff entwickeln können, der von der ganzen Welt für die ganze Welt produziert wird, wird dies ein einzigartiges globales öffentliches Gut des 21. Jahrhunderts sein. Gemeinsam mit unseren Partnern verpflichten wir uns, dies für alle zugänglich und erschwinglich zu machen.

Eineinhalb Jahre und eine Handvoll zugelassene Covid-19-Impfstoffe später wissen wir, dass die globale Antwort auf die Pandemie nicht über symbolische Gesten hinausgeht und diese Ankündigung nur leere Worte waren.  

Schlimmer noch: Mit egoistischen und kurzsichtigen Alleingängen haben Länder wie Deutschland dafür gesorgt, dass ein baldiges Ende der Pandemie nicht in Sicht ist.  

Wenige bestimmen für viele 

Die Bandbreite unsolidarischer Handlungen reicht von Vorabverträgen mit den Impfstoffherstellern über die Blockade des TRIPS-Waivers und die Unterversorgung der COVAX-Initiative bis hin zu fehlendem Druck auf die Pharmaunternehmen, endlich das Richtige zu tun und die Technologien, die zum großen Teil mithilfe öffentlicher Gelder und in öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen entwickelt wurden, zu teilen. 

Mich wundert es deshalb nicht, dass in vielen Ländern des Globalen Nordens mittlerweile eine dritte Auffrischungsimpfung empfohlen wird und gleichzeitig Hunderttausende Impfstoffdosen verfallen und vernichtet werden müssen, während etwa in den afrikanischen Ländern gerade einmal rund 3 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft ist.  

Das muss man sich vorstellen: hier erhalten Menschen ihre dritte Impfung, während Krankenpfleger*innen in der Zentralafrikanischen Republik noch nicht einmal ihre erste erhalten haben! 

Abgesehen vom humanistischen Aspekt ist dies auch globalgesundheitlich fatal, da so immer wieder neue Mutationen entstehen können und die Pandemie unnötigerweise verlängert wird. 

Ein Ende dieses Missverhältnisses ist kurzfristig nicht in Sicht, auch weil das Grundproblem, nämlich die ungleiche Verteilung von Impfstoffen und die Abhängigkeit der Welt von einigen wenigen Pharmaherstellern, nie ausreichend adressiert wurde.  

Diese Abhängigkeit wird in der aktuellen Krise überdeutlich. Hier jetzt zu handeln hätte zum einen positiven Einfluss auf den weiteren Verlauf der Covid-19 Pandemie und würde zum anderen den Grundstein für eine weltweit gerechtere und bedarfsorientiertere Versorgung in der Zukunft legen.  

Die Abhängigkeit der Welt von wenigen Pharmaunternehmen ist verheerend - jetzt und perspektivisch. Dies wird sehr wahrscheinlich nicht die letzte Pandemie sein, aber: wir haben es in der Hand, wie wir als Weltgemeinschaft auf ähnliche Katastrophenfälle vorbereitet sind. 

Gesundheit ist ein Menschenrecht und muss in einer globalisierten Welt global gedacht werden.  

Was muss getan werden? 

Die Lösung für die aktuelle Krise ist längst bekannt und wurde von den EU- Staats- und Regierungschefs richtig benannt:  

Es braucht einen Impfstoff, der von der ganzen Welt für die ganze Welt produziert wird.  

Konkret braucht es also viele verschiedene Hersteller weltweit, die lokal produzieren und lokal weiterverteilen. Insbesondere die neuen mRNA-Impfstoffe der beiden Hersteller Moderna und BioNTech/Pfizer bieten sich dafür an, denn sie lassen sich in relativ kurzer Zeit mit relativ wenig Aufwand produzieren.  

Es ist ein Klischee, aber: Sharing is caring 

Im Juni hat die Weltgesundheitsorganisation zusammen mit einem Konsortium südafrikanischer Firmen und Institutionen ein Technologietransferhub eingerichtet. Mit diesem Hub soll die mRNA-Forschung und -Entwicklung gefördert, Mitarbeiter*innen ausgebildet und ein vollständiger Technologietransfer möglich gemacht werden.  

Ziel: Die Produktionskapazität von mRNA-Impfstoffplattformen diversifizieren.  

Das Hub steht, Interesse und Vermögen von Firmen im Globalen Süden ist vorhanden, es fehlt: Die Bereitschaft von BioNTech/Pfizer und Moderna ihre Technologie für Covid-19 dem Hub zur Verfügung zu stellen.

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Eine Grafik des WHO Hub zur gerechten Verteilung von Covid-19 Impfstoffen in der Welt
Durch den Hub soll die Forschung und Entwicklung von Impfstoffen im Globalen Süden vorangetrieben werden. BioNTech/Pfizer und Moderna verweigern derzeit noch die Freigabe der Technologien.

 

Schnell und Vielerorts 

Bei der Herstellung von mRNA-Impfstoffen handelt es sich um einen synthetischen Prozess, der die Standardisierung und damit den Transfer auf weitere Produktionsstätten in kurzer Zeit enorm vereinfacht. Ein weiterer Vorteil im Gegensatz zu beispielsweise Vektor-Impfstoffen (AstraZeneca) ist, dass die Herstellung in bereits existierenden Produktionsanlagen stattfinden kann, in denen zuvor noch keine Impfstoffe produziert wurden.  

Dafür würden sich etwa Anlagen anbieten, in denen sterile, injizierbare Arzneimittel hergestellt werden. BioNTech hat beispielsweise innerhalb von sechs Monaten eine Produktionsstätte für Krebsantikörper zu einer Produktionsanlage für Covid-19 mRNA-Impfstoffe umgewandelt, einschließlich der behördlichen Zulassung.

Ressourcenschonend und anpassbar 

Beachtlich ist auch, dass für die Herstellung von mRNA-Impfstoffen nur eine geringe Dosierung und Materialmengen erforderlich sind, was im Vergleich zu anderen Impfstoffen deutlich geringere Produktionskapazitäten erfordert. Auch eine Anpassung an neu auftretende Virusvarianten könnte in recht kurzer Zeit vorgenommen werden.  

Deutschland, Ex-Global Health Champion? 

Deutschlands Ruf als “Global Health Champion” hat in der Pandemie sehr gelitten. Es ist deutlich geworden, dass für Deutschland globale Solidarität dort endet, wo nationale Eigeninteressen berührt werden- egal ob das aus medizinischer Sicht sinnvoll ist oder nicht.  

In einer globalen Pandemie ist das fatal, denn das Virus kennt keine Grenzen. Die deutsche – sowohl die aktuelle als auch eine zukünftige - Bundesregierung muss daher dringend ihren Kurs korrigieren. 

Die Zeit drängt und die To Do's sind klar: 

  • schnell mehr Impfstoffdosen an COVAX weitergeben.  
  • dem TRIPS Waiver, also der Patentaussetzung für den Zeitraum der Pandemie, zustimmen. 
  • den mRNA-Technologietransferhub unterstützen:  finanziell und technisch.  
  • Druck auf BioNTech ausüben seine Technologie über den Technologietransferhub zu teilen.