Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
Nicht zuletzt die verheerenden Folgen der Überschwemmungen im nordrhein-westfälischen Ahrtal zeigen, dass die Klimakrise auch längst in Deutschland angekommen ist. Klimawandel ist in aller Munde: ob in den Medien, als großes Thema in der Bundestagswahl, als drängendes Anliegen junger Klimaaktivist*innen oder in der Industrie für innovative Technologien.
Mir fehlt in der aktuellen Diskussion jedoch ein wichtiger Aspekt: Die Auswirkungen von extremen Wetterereignissen auf die Gesundheit von Menschen.
Die Klimakrise ist allgegenwärtig
Wissenschaftler*innen sind sich sicher, dass global extreme Wetterereignisse zunehmen und Temperaturen und Meeresspiegel steigen. Eine Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Fluten, Dürren und Stürmen hat unweigerlich Auswirkungen auf den Zugang zu Nahrungsmitteln, sauberem Trinkwasser und schließlich auch auf die Gesundheit.
Wie stark Länder oder Regionen von extremen Wetterereignissen betroffen sind, zeigt der Globale Klima-Risiko-Index von Germanwatch. Schaut man auf die letzten 20 Jahre, so stellt man fest, dass Puerto Rico, Myanmar und Haiti die am stärksten von Überschwemmungen, Stürmen oder Hitzewellen betroffenen Länder waren.
Auch wir bei Ärzte ohne Grenzen sehen in unseren Einsatzländern zunehmend, dass der Klimawandel humanitäre Krisen verstärkt, etwa in Mosambik, im Südsudan oder jüngst in Madagaskar.
Klimakrise als Multiplikator
Dass mehr Menschen durch Luftverschmutzung erkranken werden, ist so gut wie sicher. Außerdem ist wahrscheinlich, dass sich die klimatischen Veränderungen in veränderten Krankheitsmustern fortsetzen und neue Krankheiten entstehen.
In einigen Regionen müssen Menschen bereits jetzt ihre Heimat verlassen, weil sie schlicht zu heiß und damit unbewohnbar geworden sind - die Gesundheitsrisiken, die sich daraus ergeben, sind so vielfältig wie gefährlich.
In Klima-Hotspots ist zu beobachten, dass die Veränderung des Klimas die Urbanisierung beschleunigt. Diese hat vielfach auch Auswirkungen auf die Gesundheit. Die kausale Verkettung mag nicht auf den ersten Blick sichtbar sein, ist aber letztlich einfach: Etwa in den Städten von Bangladesch, behandeln unsere Teams mehr Knochenbrüche als Folge von unsachgemäßen Arbeitsweisen. Denn die Fischer, die vormals auf den Seen und Flüssen für die Lebensgrundlage ihrer Familien sorgten, müssen zunehmend in Städte abwandern und dort z.B. einer handwerklichen Tätigkeit nachgehen, für die sie nicht ausgebildet sind.
Ein weiteres Gesundheitsrisiko, das sich als Konsequenz aus dem Klimawandel ergibt: Wenn immer mehr Menschen in enge urbane Räume, raus aus dem Schutz ihrer Gemeinden, ziehen müssen, steigt auch die Gefahr sexualisierter Übergriffe auf Mädchen und Frauen.
Neue Lebensbedingungen - auch für Krankheitserreger
Die Pathogene, Reservoire und Lebenszyklen von Krankheitserregern ändern sich infolge des Klimawandels: Krankheiten wie Dengue-Fieber, Malaria und Chikungunya breiten sich mit konstant wärmeren Temperaturen deutlich schneller aus. Und wenn Wassertemperaturen dauerhaft steigen, kann z.B. auch das Cholera-Bakterium länger überleben.
Seit einigen Jahren sehen wir auch einen Anstieg von Infektionskrankheiten in Regionen, wo solche Ausbreitungen bislang seltener vorkamen, da die Wassertemperaturen steigen. In Honduras etwa behandelten wir 2019 Menschen während des größten Denguefieber-Ausbruchs seit 50 Jahren.
In der Demokratischen Republik Kongo rechnet man mit mehr als 80.000 neuen Malariafällen über die nächsten Jahre, weil sich der Moskito, der die Krankheit überträgt, zunehmend in die Hochlagen begibt.
Außerdem werden Zoonosen, also Krankheitserreger, die vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übergehen können, häufiger auftreten, wenn Ökosysteme schwinden und Mensch und Natur nicht mehr im Einklang leben. Beispiele hierfür sind die vermehrten, länger anhaltenden Ebola-Ausbrüche in Westafrika und im Kongo, oder die Ausbreitung der Tigermücke über alle Kontinente.
Extremsituationen machen krank
Die Klimakrise drängt Menschen auch vielfach zur Flucht aus ihren gewohnten Lebensräumen - dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge durchschnittlich 23 Millionen Menschen jedes Jahr. Die Gesundheitsrisiken, die mit diesen Bewegungen verbunden sind, reichen von Mangelernährung bis hin zu Krankheitsausbrüchen, die besonders an Orten vorkommen, an denen viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben – also Masern, Meningitis, akute Atemwegsinfekte, sexuell übertragbare Krankheiten sowie psychische Störungen.
Extreme Wettereignisse, Umweltdegeneration, Nahrungsmittelunsicherheit durch Dürren und Fluten erhöhen zudem den mentalen und körperlichen Stress der Bewohner*innen sogenannter Klima-Hot-Spots. Wir sehen z.B., dass durch extreme Trockenheit in Zentralamerika, schwere Nierenerkrankungen, die durch starke Dehydrierung und Überhitzung des Körpers entstehen, zunehmen.
Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
Die direkten und indirekten Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit von Menschen sind enorm und wie so oft treffen sie ohnehin vulnerable Gruppen besonders stark.
Was wir tun können ist, in gemeinschaftlicher Anstrengung die Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen zu mildern – durch vorausschauende humanitäre Hilfe, durch Stärkung nationaler Gesundheitssysteme und Investitionen in medizinische Forschung und Entwicklung.
Zusätzlich muss die Außen- und Umweltpolitik synergetisch verschränkt und verantwortungsvoll handeln. Dies gilt, wenn ganze Regionen durch steigende Temperaturen für Mensch und Tier unbewohnbar werden, wenn sich Viren und Bakterien global ausbreiten wie in der aktuellen Pandemie zu sehen ist.
Ebola und Covid-19 sind nur die jüngsten Beispiele. Ich wünsche mir, dass die nächste Bundesregierung die Gesundheit von Menschen, die von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, stärker schützt, überall.
Die Gesundheit des Planeten und die Gesundheit von Menschen können nicht separat voneinander und nicht in nationalen Grenzen gedacht werden.