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Klimagerechtigkeit für unsere Patient*innen

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Elisa de Siqueira, Expertin für Klimakrise und Gesundheit

Elisa de Siqueira

Ich bin politische Referentin bei Ärzte ohne Grenzen und Expertin für das Thema Klimakrise im humanitären Kontext.

Noch vor ein paar Monaten haben wir aus Nigeria, Niger und Tschad über die schwersten Dürren seit Jahren berichtet. Mittlerweile ist die Situation ins andere Extrem umgeschlagen: Genau diese Länder sind nun von starken Überschwemmungen betroffen. Für die Menschen gibt es kaum eine Verschnaufpause zwischen einer Krise und der nächsten. 

Die meisten solcher Klima-Hotspots sind die Länder, in denen wir tätig sind. Viele davon sind auf dem afrikanischen Kontinent, wo auch die diesjährige Weltklimakonferenz stattfindet. In unseren Projekten sehen wir Menschen, die die gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise am eigenen Leib erfahren. 

Mehr Unterstützung für Menschen in Not! 

Die Klimakrise ist eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit. Aber nicht alle Menschen sind gleich betroffen. Wie so oft tragen die Menschen, die mit ihrem Verhalten am wenigsten zur Klimakrise beitragen, die größte Last der Konsequenzen. Sie bezahlen mit ihrer Gesundheit und teils auch mit ihrem Leben.  

Wir sehen es deshalb als unsere Pflicht an, auch dieses Jahr wieder auf der Weltklimakonferenz (06.-18.11. in Sharm el-Sheikh, Ägypten) Zeugnis über das abzulegen, was wir in unseren Projekten sehen, und setzen uns gegenüber den Entscheidungstragenden für eine stärkere Unterstützung für Menschen in Not ein. 

Die Klimakrise trifft besonders Schutzlose  

Der Unterschied zwischen 1,5°C und 2°C oder sogar 2,7°C Erderwärmung bis 2030, wie es letztes Jahr vom UN-Umweltprogramm prognostiziert wurde, ist für viele Menschen auf der Welt lebensbedrohlich:  

Trockenheit heißt Mangelernährung: Im Jahr 2020 führten Hitzewellen dazu, dass mehr als 98 Millionen Menschen von mittelschwerer bis schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen waren. [1] Verlängerte Dürreperioden, wie in der Sahel-Region in diesem Jahr haben zur Folge, dass es weder ausreichend Trinkwasser für Menschen und Tiere gibt noch ausreichende Bewässerung für die Felder, so dass der Boden austrocknet und die Ernten geringer ausfallen. Die Lebensmittelvorräte sind dann früh im Jahr aufgebraucht, was zu Mangelernährung führen kann.   

Wärmeres Wetter bedeutet Moskitos und Krankheiten: Aufgrund von wechselnden Niederschlägen und einem Temperaturanstieg verlängert sich beispielsweise die Infektionsperiode von Malaria, wie in Mosambik – heute besteht in einigen Teilen des Landes das ganze Jahr über die Gefahr, sich mit Malaria zu infizieren und nicht mehr nur in der Regenzeit. 

Zerstörungen durch Extremwetter: Tropische Wirbelstürme können häufiger und stärker werden, wie es in Madagaskar am Anfang des Jahres mit zwei aufeinander folgenden Zyklonen der Fall war. Krankenhäuser wurden zerstört und viele Patient*innen hatten zeitweise keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung.  

Der Verlust der Lebensgrundlage zwingt Menschen zur Flucht: Manchmal bleibt den Menschen aber nur die Flucht, wie im Süden Somalias, wo viele aufgrund der Dürre und des langanhaltenden Konflikts ihr zuhause verlassen mussten. 

Insbesondere für die Menschen, die in Armut und Konfliktkontexten leben, Menschen ohne sozialen Schutz und Menschen, die keinen Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung haben oder davon ausgeschlossen sind – sprich: für unsere Patient*innen, kann hier ein lebensentscheidender Unterschied gemacht werden.   

Jeder Bruchteil der abgewendeten Erwärmung reduziert Tod und Leid in den humanitären Kontexten, in denen wir arbeiten. 

Der Schaden ist da, die Verantwortlichen müssen handeln 

Der Klimaschutz, also die Minderung von Treibhausgas-Emissionen, hätte schon längst angegangen werden müssen. Die Schäden und Verluste, die daraus resultieren, sind mancherorts nicht mehr rückgängig zu machen. Hier sind die Konsequenzen bereits Realität: Viele Menschenleben, (Gesundheits-)Infrastrukturen, Häuser, Schulen, Ackerland, kulturelle und spirituelle Orte wurden zerstört. 

Dort geht es nicht mehr nur darum, den Klimawandel aufzuhalten. Wo wir können, müssen wir die Konsequenzen für die Menschen und ihre Gesundheit abmildern. Insbesondere über einfache Anpassungsmaßnahmen, wie beispielsweise den Bau eines Damms oder die Säuberung von Wasserquellen.  

Wenn es dafür aber zu spät ist, muss für den Wiederaufbau nach der Zerstörung aufgekommen werden. Hier sehen wir hauptsächlich die Länder in der Verantwortung, die am meisten zur Klimakrise beitragen, die G7-Staaten beispielsweise. 

Wir fordern! 

Die humanitären Bedürfnisse werden über das hinauswachsen, was Ärzte ohne Grenzen und andere humanitäre Akteure bewältigen können. Es braucht einen ehrgeizigen Klimaschutz, nachhaltige Anpassungsmaßnahmen und eine konkrete und umfassende Unterstützung für den Umgang mit Schäden und Verlusten. 

Wir fordern von den politischen Vertreter*innen auf der Weltklimakonferenz, die in Sharm el-Sheikh Entscheidungen treffen, die die Gesundheit von Millionen von Menschen beeinflussen werden: 

  1. Ausreichende finanzielle und technische Unterstützung, um Schäden und Verluste anzugehen, vor allem für diejenigen Länder und Menschen, die am stärksten betroffen sind.  Dabei dürfen keine Gelder der humanitären Hilfe verwendet werden.[2]
  2. Ambitioniertere und verpflichtende Zusagen von Staaten, Unternehmen und Sektoren, die für historische, aktuelle und zukünftige Emissionen hauptverantwortlich sind, um die globale Erderwärmung unter 1,5 °C zu halten. 

Die Klimakrise darf nicht zu einer noch größeren humanitären Krise werden. Wir brauchen jetzt tatsächliche Klimagerechtigkeit für unsere Patient*innen.

Klimawandel und Gesundheit

Die Klimakrise hat direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Wir passen unsere Projekte entsprechend an und setzen uns auch politisch für Klimagerechtigkeit ein.

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[1] Besagt der Lancet Countdown 2022.
[2] Ärzte ohne Grenzen ist unabhängig und finanziert sich ausschließlich über private Spenden.