Panama: Die Migrationsbewegung hat stark zugenommen
In den ersten Tagen hier war ich ein wenig erschrocken über das, was ich sah, vor allem über die Anzahl der Menschen, die bei uns ankommen - es sind sehr viele. Ich bin jetzt seit etwa vier Wochen in Panama. Im Rahmen des Projekts unterstützen wir Migrant*innen, die nach der Durchquerung des Darién-Dschungels von Kolumbien nach Panama kommen. Wir arbeiten in einem Zelt in der Auffangstation für Migrant*innen (ERM) San Vicente, in der Nähe von Metetí.
Aber ich fange besser von vorne an:
Als ich in Panama ankam, hatte ich dank einer guten Einarbeitung vor der Abreise eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was mich hier erwarten würde. In den ersten Tagen beobachtete ich vor allem, was vor sich ging: wie meine Kolleg*innen mit den Patient*innen und miteinander arbeiten.
Ich habe mich bemüht, ihrem Beispiel zu folgen und mich anzupassen. Vor allem wollte ich nicht unhöflich sein. Ich wusste, dass ich mit einem internationalen Team zusammenarbeiten würde und dass ich mir meiner selbst bewusster sein musste, als ich es vielleicht in Spanien wäre - sowohl wegen der kulturellen als auch der sprachlichen Unterschiede. Es gibt zum Beispiel Worte, die nicht in allen Varianten des Spanischen dasselbe bedeuten und missverstanden werden können.
Das Leid der Menschen ist allgegenwärtig
Die Migrationsbewegung durch den Darién hat stark zugenommen. Aktuell kommen bei uns mehr als doppelt so viele Menschen an als noch vor ein oder zwei Monaten: etwa 600 bis 800 täglich.
Soweit ich das beurteilen kann, sind die meisten von ihnen Venezolaner*innen. Es ist sehr schockierend zu sehen, was sie durchmachen müssen. Sie sind Menschen wie du und ich. Das wusste ich zwar schon vorher, aber jetzt verstehe ich es auf einer tieferen, emotionalen Ebene.
Das Projekt, in dem ich arbeite, wurde vor allem ins Leben gerufen, um Menschen die sexualisierte Gewalt erlebt haben, angemessene Behandlungen zu bieten. Oftmals geht es zuerst darum, überhaupt die subtilen Anzeichen zu erkennen, die darauf hindeuten, dass eine Person sexualisierte Gewalt erfahren hat. Unsere Teams bieten im Anschluss erste medizinische Behandlungen und Gespräche mit psychosozialem Personal an.
Es ist schwierig, jemandem zu sagen: Du musst heute Nacht selbst schauen, wo du bleibst
Die Arbeit im Projekt ist schwierig: Wir haben nur begrenzte Ressourcen und gleichzeitig ist der Bedarf enorm. Es ist frustrierend, nur in einigen Bereichen helfen zu können. Da die Menschen auf der Durchreise sind oder wir nur über begrenzte Mittel verfügen, können wir häufig nicht alle ihrer medizinischen Probleme behandeln. Außerdem fehlt es allen an trockener Kleidung und Schuhen, vor allem den Kindern.
Manchmal fragen sie mich, wo sie im Camp schlafen können. Die Lebensbedingungen dort sind unzureichend; es gibt nur wenige überdachte Bereiche, in denen man auch nur ansatzweise menschenwürdig übernachten kann. Wenn das Camp allerdings schon voll ist, habe ich keine Antwort auf ihre Frage - ich muss ihnen sagen, dass sie heute Nacht schauen müssen, wo sie bleiben. Und ich weiß dabei, dass es wieder eine der schlimmsten Nächte ihres Lebens sein wird. Die Wahrheit ist: Es ist frustrierend und macht mich unheimlich traurig und wütend.
Der Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden in Spanien hilft mir dabei, mit den Emotionen umzugehen, die in einem solchen Kontext unweigerlich aufkommen. Aber aufgrund der Zeitverschiebung kann ich nur selten mit ihnen sprechen.
Ein echtes Team
Eine Sache, die mich beeindruckt, ist das Organisationsprofil von Ärzte ohne Grenzen: Mir gefällt, dass hier jeder Mensch, jede Stimme der Patient*innen sowie der Mitarbeitenden zählt. Jedem und jeder wird zugehört. Im Projekt gibt es kein hierarchisches Klassendenken, wie ich es in anderen Anstellungen, z.B. als Krankenpfleger in Spanien, erlebt habe.
Mir gefällt die Tatsache, dass wir hier auf Augenhöhe arbeiten. Wir alle sind gleichermaßen wichtig und niemand erhebt sich über die anderen. Insgesamt bin ich im Team angekommen und sehe den nächsten Monaten mit Freude und Neugierde entgegen.
Bis zum nächsten Mal!
Martin