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Sudan: Jahrzehntelange Bemühungen in al-Dschuneina zunichte gemacht

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Das Logo von Ärzte ohne Grenzen

Moussa Ibhraim

Als leitender Logistiker unterstütze ich von al-Dschuneina aus unsere Projekte im Sudan, insbesondere in West-Darfur. Für Ärzte ohne Grenzen arbeite ich seit 2021.

Keine medizinische Versorgung in der Stadt und keine sicheren Wege aus der Stadt: Das ist die aktuelle Situation in al-Dschuneina. Der Name meiner Stadt bedeutet übersetzt „der Garten“. Doch diese Bedeutung passt nicht mehr zu der harten Realität, die die Menschen hier gegenwärtig erleben.

Seit Ende April hat die aktuelle Krise al-Dschuneina, die Hauptstadt des Bundesstaats West-Darfur, erreicht - die Gewalt ist allgegenwärtig: Schätzungen zufolge wurden in den letzten Wochen mindestens 500 Menschen getötet. Ähnlich viele Verwundete sind in der Stadt eingeschlossen, ohne Zugang zu lebensrettender Behandlung. Niemand kann in die Stadt gelangen, um ihnen zu helfen, und niemand kann sie herausholen.

Schutzsuchende erfahren extreme Gewalt

Als leitender Logistiker unterstütze ich seit 2021 die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen in al-Dschuneina. In dieser Rolle bin ich kürzlich in den Tschad gereist, um mich mit den Kolleg*innen im Nachbarland abzustimmen und unsere Hilfe zu koordinieren. In al-Dschuneina waren das Internet und auch alle anderen Kommunikationsmittel ausgefallen, es ging deshalb nur so.

Der Weg von al-Dschuneina in den Tschad ist voller Gefahren und zugleich ist es die Route, auf der gegenwärtig auch Tausende Schutzsuchende aus West-Darfur fliehen: bewaffnete Gruppen patrouillieren hier häufig und halten die Menschen auf ihrem Weg an. Es gibt keinerlei Sicherheitsgarantien. Der eskalierende Konflikt berührt alles: Es gibt Angriffe auf humanitäre Organisationen, auf Polizeizentralen, aus denen Waffen gestohlen werden, und Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Märkte und Bildungseinrichtungen. Auf dieser und anderen Routen in Richtung Tschad berichten Geflüchtete davon, extreme Gewalt erfahren zu haben – darunter sexualisierte Gewalt, Folter, Entführung und Zwangsrekrutierung.

Selbst die Toten zu bergen ist zu gefährlich 

Tatsächlich beginnt die Gefahr aber schon unmittelbar vor der eigenen Haustür: Aus Angst in eine Schießerei zu geraten oder auf Scharfschützen zu treffen, bewegen sich die Menschen in al-Dschuneina derzeit möglichst nur in der unmittelbaren Nähe des eigenen Hauses. Lebenswichtige Güter - wie etwa Wasser - zu besorgen, ist lebensgefährlich geworden. 

In den ersten Tagen der Kämpfe haben Mitarbeiter*innen der Hilfsorganisation Roter Halbmond, die Getöteten von der Straße geholt. Als sich die Lage jedoch zuspitzte, wurde auch das zu gefährlich, sodass die Leichen einfach liegen blieben. Vor ein paar Tagen war es endlich wieder möglich, aber da waren die toten Körper bereits stark verwest. Jetzt ist das Beste, was man tun kann, die Leichen an einem Ort zu sammeln.

Jahrelange Arbeit in kurzer Zeit zerstört 

Im Zuge all der erschütternden Gewalt wurde nicht nur eines unserer Büros in al-Dschuneina geplündert, sondern auch das von uns unterstützte Lehrkrankenhaus: Das gesamte medizinische Material wurde entwendet und Teile des Krankenhauses wurden zerstört.

In der Einrichtung hatten wir die stationären Abteilungen für Kinderheilkunde und Ernährung, die Maßnahmen zur Infektionsprävention sowie die Wasser- und Sanitärversorgung geleitet. Der Zustrom von Patient*innen war stetig - die Menschen kamen nicht nur aus al-Dschuneina selbst sowie den nahe gelegenen Camps für vertriebene Familien, sondern aus dem gesamten Bundesstaat West-Darfur. 

Als Logistiker und humanitärer Helfer zerreißt es mir das Herz: Ich erlebe, wie unsere jahrelangen Bemühungen zunichte gemacht werden.

Ärzte ohne Grenzen leistete hier über Jahre hinweg medizinische Hilfe für alle Bevölkerungsgruppen in West-Darfur, die aufgrund der häufigen gewaltsamen Unruhen sonst keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung hatten.

Jetzt sind die Menschen in al-Dschuneina mit Gewalt und Unsicherheit konfrontiert und zugleich damit dass jedwede Gesundheitsversorgung fehlt – auch für Schwangere, Kinder und alle, die medizinische Versorgung suchen. Zu den täglichen Herausforderungen kommt hinzu, dass es nur begrenzt Zugang zu existenziellen Dingen wie Trinkwasser gibt.

Zivilist*innen mit Schussverletzungen

Im Tschad angekommen habe ich mit meinen dortigen Kolleg*innen geprüft, ob wir vom Tschad aus in West-Darfur logistisch unterstützen können. Mit den Teams vor Ort habe ich eine enge Koordinierung vorangetrieben. Nahe der Grenze stehen in Adré unsere chirurgischen Teams bereit. Menschen gezielt dorthin zu evakuieren ist derzeit aber nicht möglich. Aber wir helfen den Fliehenden: Mehr als 70 verletzte Sudanes*innen wurden bisher in Adré versorgt. Die meisten erreichten unsere Einrichtung mit schweren Schussverletzungen. Auch ein dreijähriges Kind wurde von uns behandelt.  

Die Situation im Sudan ist unerträglich und erfordert ein sofortiges Eingreifen. Die Verhandlungen zwischen den Verantwortlichen der Gemeinschaft und allen Konfliktparteien müssen sichergestellt werden, um dieser schrecklichen Situation ein Ende zu setzen. Die meisten NGOs haben den Sudan verlassen. Ich bin wieder nach al-Dschuneina zurückgekehrt, um bei meiner Familie zu sein. Hier ist die Lage nach wie vor katastrophal, und es muss dringend gehandelt werden, um die Sicherheit der Menschen und des medizinischen Personals zu gewährleisten.

Es braucht Garantien für humanitäre Hilfe

Es ist wichtig den Organisationen, die in verschiedenen Teilen des Sudan bleiben konnten, darunter auch unsere Teams, ihre humanitäre Arbeit zu ermöglichen und zu erleichtern. Nur so können sie sich für die dringend erforderliche medizinische Versorgung der Bevölkerung einsetzen. Zudem ist die Gewährleistung der Sicherheit des medizinischen Personals und der Gesundheitseinrichtungen ein absolutes humanitäres Gebot. Und die Zivilbevölkerung muss geschützt werden!