Teamwork
Wegen Quarantäne und einiger Reiseschwierigkeiten musste ich länger als geplant in der weiter südlich gelegenen Stadt Aden bleiben und konnte erst nach knapp drei Wochen in mein Projekt in Marib reisen. Der Transit ging über die Stadt Seyun, welche ein Relikt aus 1001 Nacht zu sein scheint, wirklich wunderschön! Von dort geht es weiter mit dem Auto - für Stunden.
Durch die Wüste
Zu Beginn der Reise ist es sehr pittoresk, es gibt Berge, grüne Oasen. Die Szenerie wirkt so friedlich und passt nicht ganz zu meinem Bild des vom Krieg gebeutelten Landes. Irgendwann ändert sich die Landschaft in Wüste und außer Sand und Kamelen gibt es nichts mehr.
Die lange Fahrt durch den weißen, grellen Sand lässt mich plötzlich Wasserstellen sehen, wo es keine gibt - ich realisiere: eine Fata Morgana und frage mich was ich noch für Einbildungen hätte, säße ich nicht im klimatisierten Auto. Die Einöde wird nur durch die Kontrollpunkte unterbrochen, an denen zum Teil sehr junge Soldaten stehen - bewaffnet bis an die Zähne.
30 Betten und ein Arzt
Das Allgemeinkrankenhaus in Marib , wo ich nun für die nächsten Wochen arbeiten werde, ist für hiesige Verhältnisse riesig. Es bietet sämtliche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten. Und es ist eines der wenigen Projekte, die Ärzte ohne Grenzen nur mit Man- and Womenpower unterstützt und wenn gewünscht auch mit aktuellem medizinischen Wissen, wie etwa in meinem Fall.
In der Anästhesie gibt es zwei Anästhesieärzt*innen und während der schweren Angriffe am Anfang des Jahres, arbeiteten sie teilweise rund um die Uhr. Um sie zu entlasten sendet Ärzte ohne Grenzen jeweils eine Anästhesist*in. Tatsächlich unterstütze ich aber den verantwortlichen Arzt der Intensivstation noch mehr und es ist wirklich nötig ihm das Leben ein wenig einfacher zu machen, denn er betreut 30 Patient*innen an Beatmungsgeräten.
Wir machen zusammen die Morgenvisite, diskutieren die schwierigeren Fälle. Dr. Najeeb Dobhani hat ein großes Wissen, ist aber dennoch dankbar für meinen Input.
Es ist wie überall auf der Welt: spricht man Gedanken laut aus, dann hat der andere wieder einen neuen Gedanken und am Schluss entwickelt man zusammen noch 2,3 Möglichkeiten mehr, an denen man arbeiten kann, als wenn man das Problem alleine angegangen wäre.
Kleine Veränderung mit großer Wirkung
Irgendwann merke ich, was ihn am meisten unterstützen würde: die Krankenpfleger*innen. Wir entscheiden, dass wir sie zusammen so firm machen für die Intensivmedizin, dass er entlastet wird. Für einige von ihnen werden es neue Kenntnisse sein und die anderen haben die Möglichkeit ihr Wissen aufzufrischen. Auf jeden Fall können sie dann alle autarker arbeiten. Unser Vorschlag wird gut aufgenommen.
Wir beginnen mit den Basics der Beatmung. Den Vortrag halten wir gemeinsam. Wir wollen pro Woche je einen weiteren machen zu den verschiedenen Aspekten der Intensivmedizin. Nachmittags, wenn Dr. Najeeb Dobhani sich ausruhen geht, „üben“ wir das Gehörte an der Beatmungsmaschine – meist geht eine Pflegekraft mit mir von Patient*in zu Patient*in.
Ich ziehe den Hut vor dir
Dr. Najeeb Dobhani selbst kommt aus einer Gegend im Jemen, wo es vergleichsweise ruhig ist. Er und seine Frau - sie ist eine der Intensivschwestern - haben sich jedoch entschieden nach Marib zu gehen, weil sie finden, dass sie verpflichtet sind, ihrem Volk zu helfen und zwar im Brennpunkt.
Ich bewundere ihre Einsatzbereitschaft und Ausdauer sehr.
Meine Aufgabe hier ist völlig anders geartet als in vorherigen Projekten. Aber es ist wirklich schön, mit jemandem wie Dr. Najeeb Dobhani zusammenarbeiten zu dürfen. Auch das kann Ärzte ohne Grenzen sein: Gemeinsam mit dem Kollegen über weitere Therapiemöglichleiten nachdenken und voneinander lernen.