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Mein Ziel ist es, Entscheidungsträgerin zu sein

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Portraitbild von Ola Barakat. Sie lächelt freundlich in die Kamera und trägt ihre Arbeitskleidung mit Ärzte ohne Grenzen Logo.

Ola Barakat

Ich bin Pharmazeutin bei Ärzte ohne Grenzen und arbeite derzeit in Jordanien.

“Frauen machen so etwas nicht” - Ich kann nicht sagen, wie oft ich diesen Satz gehört habe. Ob es nun darum ging, arbeiten zu gehen, zu studieren oder mit Ärzte ohne Grenzen in einen Einsatz zu gehen, während mein Mann sich um unsere Kinder kümmert: Immer wieder wurde mir gesagt, dass diese Dinge als Frau nicht möglich wären. Aber das stimmt nicht; ich bin der Beweis.

Aufhören? Ich denke nicht daran 

Ich lebe in Amman, der Hauptstadt Jordaniens. Hier arbeite ich für Ärzte ohne Grenzen im Krankenhaus als pharmazeutische Leiterin. Wenn ich morgens zur Arbeit gehe, freue ich mich zunächst einmal, dass ich überhaupt Arbeit habe. Denn viele Menschen in Jordanien finden keine Arbeit. Ich bin bereits seit fast zehn Jahren im humanitären Sektor tätig, sechs Jahre davon bei Ärzte ohne Grenzen - und ich habe nicht vor, sobald damit aufzuhören. Ich glaube, dass alles was ich bei der Arbeit tue, dabei hilft, den humanitären Bereich voranzubringen. Für Ärzte ohne Grenzen zu arbeiten war schon immer mein Wunsch und ich bin sehr stolz, das erreicht zu haben. 

Das wichtigste für mich sind neue Herausforderungen! Denn nur so kann ich weiterwachsen, lernen und noch besser werden. Stillstand ist keine Option für mich!  

Aus diesem Grund studiere ich auch seit einem Jahr an der Universität Manchester in Großbritannien und mache meinen Master in Humanitärer Praxis – auch Dank Ärzte ohne Grenzen, denn durch die Organisation habe ich ein Stipendium erhalten. Ich möchte dazu lernen, um in der Praxis noch besser zu werden. Ich liebe die Pharmazie, aber mein Ziel ist es Entscheidungsträgerin zu sein.  

Die Erste sein 

“Du kannst als Frau deine Kinder nicht alleine lassen!”, “Du wirst nicht zurechtkommen!” - Diese und ähnliche Dinge musste ich mir anhören, wenn ich davon sprach, mit Ärzte ohne Grenzen in den Einsatz zu gehen. In Jordanien gibt es nicht viele Frauen, die ihre Kinder bei den Ehemännern lassen, um im Ausland zu arbeiten. Doch als die Personalabteilung in unserem Krankenhaus von einer offenen Stelle im Libanon berichtete, meldete ich mich sofort. Das war genau die Art von Herausforderung, die ich suchte! Ich wollte raus, ich wollte Neues lernen! 

Ich war die erste Frau in unserem Team, die mit Ärzte ohne Grenzen in den Einsatz gegangen ist.* Die Entscheidung, es zu wagen, die Bewerbung, der ganze Prozess waren eine Herausforderung. Der Druck wurde mit jeder Kritik größer. Denn ich wusste: Sollte ich versagen, würde das gesehen und all jene, die mir – und Frauen generell - so etwas nicht zutrauen, in ihrer Haltung bestätigen.  

Auch bin ich nicht aus Stein - ich habe zwar eine klare Vorstellung meiner Ziele, doch immer wieder zu hören, ich sei eine schlechte Mutter, war hart. Natürlich lasse ich meine Kinder nicht leichten Herzens zurück - aber ich möchte trotzdem meine eigenen, persönlichen Ziele erreichen und ihnen damit auch zeigen, was möglich ist.  

Auf los geht’s los  

Ich war nervös, bevor es losging und konnte es gleichzeitig kaum erwarten. Als ich im Libanon ankam, schneite es, obwohl es April war. Ich erinnere mich noch, wie glücklich alle darüber waren – und so begann mein Einsatz mit einem Gefühl der Freude.   

Ich hatte an diesem ersten Tag so viele Fragen im Kopf: Werde ich gute Arbeit leisten? Werde ich es mir und allen anderen beweisen können, dass ich den richtigen Schritt gewagt habe? Wie wird es sein, so lange von meiner Familie getrennt zu sein? Doch dann merkte ich schnell, dass viele dieser Sorgen unbegründet waren.

Mit jedem weiteren Tag wurde mir klar: Ich kann das! 

Ich spürte, dass all diese Erfahrungen, jeder Kontakt, den ich knüpfte, jedes Gespräch mit Kolleg*innen, etwas in mir hinterließen: Es war wie ein alltägliches Bewusstsein, dass ich auch nach meiner Rückkehr nicht innehalten würde und der Einsatz im Libanon nicht meine letzte Herausforderung sein würde. Meine Arbeitsroutine im Einsatz unterschied sich nicht wesentlich von meiner Arbeit zu Hause, dennoch wuchs jeden Tag mein Selbstbewusstsein ein kleines Stück weiter. 

Zusammenhalt 

Mein gesamter Einsatz war geprägt von dem Team, mit dem ich zusammengearbeitet habe und den Menschen, die mich umgaben. Wenn ich morgens aufwachte, war ich bereits voller Energie. Ich lebte gemeinsam mit anderen Kolleg*innen, die von überall auf der Welt kamen und ebenfalls mit Ärzte ohne Grenzen im Einsatz waren. Wir gingen jeden Morgen zusammen zu Fuß zur Arbeit, kochten gemeinsam und unterstützten uns, wann immer es nötig war.  

Ganz besonders gut erinnere ich mich an die Worte der Projektleiterin - sie blieben mir für die Zeit meines Einsatzes wie ein Mantra im Kopf: "Ola, du bist noch jung, tu alles, was du kannst, bewirb dich für ein Studium und arbeite. Hör nicht auf, bis du stolz auf dich bist und verfolge deine Träume.”  

Geht raus und lernt euch kennen! 

Es ist unglaublich, wie hilfreich es sein kann, drei Monate woanders zu sein. Ein anderes Land zu sehen, über den Tellerrand hinauszuschauen, sich selbst herauszufordern. Deswegen habe ich nach meiner Rückkehr meine Kolleg*innen darin bestärkt, es auch zu versuchen.  

In unseren alltäglichen Routinen verhaftet, nehmen wir nur bedingt wahr, was an anderen Orten passiert. Als ich im Libanon war, habe ich wirklich eine neue Seite der humanitären Arbeit kennengelernt: Der immense Aufwand, der betrieben wird - wie alles im großen Ganzen zusammenspielt - was wir noch besser machen können.  

Besonders hat es mich gefreut, dass nach meiner Rückkehr auch einige Kolleginnen mit Fragen zu mir kamen und den Mut gefasst hatten sich zu bewerben, nachdem sie es bei mir gesehen hatten. Ich war ein Beispiel für sie und sie haben gesehen, was alles möglich sein kann. Und zwei von ihnen sind tatsächlich in den Einsatz gegangen!  

Ich freue mich so sehr, dass ich diesen Frauen ein Vorbild sein kann, dass ich eine Tür für sie geöffnet habe. Es sollte für Frauen ebenso normal sein, Ziele zu verfolgen, wie für Männer.  

Und ich glaube fest an eines: Jede Kritik, die Menschen an mir äußern, jede Beurteilung meiner Entscheidungen, sagt vor allem etwas über sie selbst aus, spiegelt ihre inneren Grenzen wider – Grenzen, die ich nicht habe.  

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* Mitarbeitende von Ärzte ohne Grenzen können sich auf sogenannte Detachment-Einsätze bewerben. Dies sind meist kürzere Einsätze von ein paar Monaten. Nach dem Einsatz kehren sie dann in ihre eigentliche Anstellung zurück.