Sahelzone: Konflikte, Krisen und Klima zwingen zur Flucht
Millionen Bewohner*innen der Sahelzone müssen fliehen und leben unter prekären Bedingungen. Gleichzeitig durchqueren Menschen aus südlicheren Ländern die Region und suchen Schutz in einem der nördlichen Länder. Sie alle verlieren den Zugang zu sicheren Unterkünften, medizinischer Hilfe sowie die Möglichkeit, sich und ihre Familien selbst zu versorgen.
Neben der medizinischen Grundversorgung innerhalb der Sahelzone ist unsere Hilfe entlang der Migrationsrouten sowie in den vielen Geflüchteten-Camps daher eine lebensrettende Unterstützung.
5 Fakten über die Sahelzone
Wo ist die Sahelzone?
Die Sahelzone (der Sahel) erstreckt sich über 7000 km von der Atlantikküste im Westen bis zum Roten Meer im Osten und ist ca. 800 km breit. Es gibt mehrere politische Definitionen der Sahelzone, nach denen das Gebiet bis zu zwölf Länder umfasst und 400 Millionen Menschen beherbergt.
Mauretanien, Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad bilden den Kern der Sahelzone, andere Definitionen umfassen bis zu zwölf Länder.
Geopolitisch kommt der Sahelzone gleich in dreifacher Hinsicht außerordentliche Bedeutung zu: als Bodenschatztruhe für Gold und Uran, als Aufmarschgebiet islamistischer Extremist*innen und als Ziel europäischer Migrationspolitik.
Welche Herausforderungen hat die Bevölkerung in der Sahelzone?
Klimakrise und Wasserknappheit: Die Sahelzone ist durch ausgeprägte Regen- und Trockenzeiten gekennzeichnet. Diese führen zu langen Dürreperioden, oftmals gefolgt von Starkregen bis hin zu Überschwemmungen. Neben den natürlichen Wasserquellen leidet auch die vorhandene Wasserinfrastruktur darunter und Trinkwasser wird verschmutzt. Der anhaltende Klimawandel verschärft die Situation zunehmend.
Mangelernährung: Drei Viertel der Bevölkerung außerhalb der Ballungszentren leben von Landwirtschaft. Überschwemmungen und Dürre führen jedoch zum Ausbleiben der Ernte. Vor allem Kinder unter fünf Jahren sind wiederkehrend und lebensbedrohlich von extremer Mangelernährung betroffen.
Flucht und Vertreibung: Regelmäßig aufflammende bewaffnete Konflikte zwingen Hunderttausende Menschen immer wieder zur Flucht aus ihrer Heimat. Die Grenzregion von Burkina Faso, Mali und Niger ist besonders stark betroffen.
Politische Instabilität: Allein seit 2020 gab es acht erfolgreiche Putsche in der Sahelzone; zwei davon jeweils in Mali und in Burkina Faso, einen in Tschad und Niger.
Kein ausreichender Zugang zu medizinischer Hilfe: Die Gesundheitsindikatoren in der Sahelzone gehören zu den schlechtesten der Welt [1]. Die Region hat außerdem eine hohe Müttersterblichkeitsrate und die Risiken von Epidemien bleiben sehr hoch [2].
- Geringe Perspektiven und Armut: Zusammengenommen führen viele der genannten Umstände zu hoher Arbeitslosigkeit und keinem oder sehr geringen Einkommen, große Teile der Bevölkerung in der Sahelzone leben mit unter 1,90 US-Dollar pro Tag. Die Länder der Sahelzone sind regelmäßig auf den hintersten Plätzen des UN-Human Development Index [3].
Fluchtrouten in der Sahelzone
Als Folge von Auseinandersetzungen von nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen fliehen Millionen von Zivilist*innen innerhalb der Sahelzone, um in Sicherheit leben zu können [4]. Die meisten von ihnen werden so zu Binnenvertriebenen im eigenen Land (engl.: internally displaced person, IDP) oder zu Flüchtlingen in den Nachbarländern. Der Großteil der Migration erfolgt innerhalb der Region selbst und ist aufgrund des ECOWAS-Protokolls zur Personenfreizügigkeit zumindest auf dem Papier legal [5].
Die tatsächliche Umsetzung wird durch entgegengesetzte Interessen von Dritten beeinträchtigt: Die EU hat zum Beispiel 2016 bilaterale Abkommen mit Mali sowie dem Niger geschlossen und dabei eigennützige Grenzkontrollen gefordert. Diese führen zur Kriminalisierung der Migration und zwingen Schutzsuchende dazu, gefährliche illegale Routen zu nutzen. Der Niger hat das Abkommen Ende 2023 wieder aufgekündigt.
Eine der meistfrequentierten Fluchtrouten durch die Sahelzone führt von Mali und Niger über Algerien bis nach Libyen [6]. Vor allem Assamaka, eine Wüstenstadt und früher strategischer Handelsknotenpunkt an der Grenze zwischen Niger und Algerien, ist heute ein Drehkreuz des Menschenschmuggels und wichtige Zwischenstation für Menschen auf der Flucht.
Viele Schutzsuchende werden von Algerien jedoch wieder zurück abgeschoben und dabei willkürlich und orientierungslos in der Wüste ausgesetzt. Diejenigen, die bis nach Libyen kommen, landen oft in einem Geflecht von Haftanstalten und sind körperlichen und psychischen Misshandlungen bis hin zu Folter ausgesetzt. Viele der Menschen begeben sich von dort aus schließlich auf die lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer.
[4] UNHCR, Situation Sahel Crisis
[5] UNCTAD, PROTOCOL A/P.1/5/79 RELATING TO FREE MOVEMENT OF PERSONS, RESIDENCE AND ESTABLISHMENT
Klimakrise in der Sahelzone
Das Leben der Bewohner*innen der Sahelzone ist stark mit dem Klima verbunden. Drei Viertel der Menschen in der Sahelzone sind von der Landwirtschaft oder der Viehzucht abhängige Selbstversorger*innen. Immer länger werdende Trockenzeiten haben verheerende Auswirkungen auf die Ernte und schwerwiegende Folgen für die Ernährung der Bevölkerung. Einkommensquellen können schlagartig wegfallen und Betroffene sehen sich oft gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und Zuflucht in urbanen Gegenden zu suchen.
Klimaereignisse wie Dürren oder Überschwemmungen werden außerdem zunehmend häufiger in der Sahelzone registriert, während die Temperaturen 1,5-mal schneller steigen als in anderen Teilen der Welt. Prognosen gehen von einem Anstieg von 2 bis 4,3 °C bis 2080 aus [7].
[7] UNHCR, Representative Concentration Pathways - Climate Risk Profile Sahel region
Konflikte in der Sahelzone
Zwischen 1960 und 2020 ist die Zahl der Menschen in Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad von 17,3 auf 86,4 Millionen gestiegen. Bis 2050 werden mehr als 210 Millionen prognostiziert [8].
Dieses rasante Bevölkerungswachstum, anhaltender Klimawandel und dadurch knapper werdende Ressourcen sowie schwache staatliche Strukturen haben in der Sahelzone eine hochkomplexe Sicherheitskrise ausgelöst, die die Ausbreitung bewaffneter Gruppen in der gesamten Region begünstigt.
Die anhaltende Gewalt hat dazu geführt, dass sich eine Rekordzahl von mehr als 5 Millionen Menschen gezwungen sah, ihre Heimat zu verlassen [9]. Der Großteil hat Zuflucht in einem der Nachbarländer gesucht oder lebt als Binnenvertriebene an einem anderen Ort im eigenen Land.
Eine Region mit besonderem Spannungspotenzial ist die Grenzregion zwischen Tschad, Niger und Nigeria, in der sich der Tschadsee befindet. Das Wasser im See geht seit Jahren zurück. Der See ist auf 10 % seiner Originalgröße geschrumpft [10]. Viele der 30 Millionen Anwohner*innen verlieren dadurch ihre Lebensgrundlagen. Die übrigbleibenden knappen Ressourcen führen auch hier zu andauernden Konflikten.
Außerdem ist der Tschad eines der Hauptaufnahmeländer für Zivilist*innen, die vor dem Krieg im Sudan flüchten. Mehr als 8 Millionen Menschen wurden vertrieben [11].
[8] World Bank Group, Country Climate Development Report
[9] UNHCR, Situation Sahel Crisis
[11] IOM, Sudan Displacement Tracking
So helfen wir
- Wir unterstützen in mobile Kliniken entlang der Fluchtrouten, impfen großflächig, beraten psychologisch, verteilen Hilfsgüter wie Hygiene- und Menstruationsartikel sowie Koch-Sets und helfen beim Bau von Unterkünften.
Wir arbeiten mit regionalen Gesundheitsämtern sowie Krankenhäusern bei der Grund- und Regelversorgung von Patient*innen zusammen. Dazu gehören auch die Behandlung und großflächige Impfkampagnen bei Ausbrüchen von Masern oder Gelbfieber.
Wir verbessern den Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen. Das beinhaltet u.a. den Bau von Latrinen, den Transport von Wasser per LKW sowie den Neubau oder eine Renovierung von Bohrlöchern. Das gewonnene Grundwasser bereiten wirzu Trinkwasser auf.
Wir versorgen Frauen und Kinder während Schwangerschaft und Geburt und behandeln Kinder, u.a. aufgrund von Mangelernährung.
Wir unterstützen die spezialisierte Vorsorge sowie Behandlung von Brust- und Gebärmutterhalskrebs in Mali sowie die Betreuung von Kindern mit Sichelzellenanämie, einschließlich Bluttransfusionen und Impfungen im Niger.
Eine wachsende Zahl von Gebieten wird von bewaffneten Gruppen kontrolliert und belagert, so dass unsere Teams manchmal gezwungen sind, ihre Aktivitäten auszusetzen oder ganz einzustellen.
So können Sie helfen
Die anhaltenden lokalen Konflikte und daraus resultierende politische Entscheidungen in der Sahelzone bekommen immer wieder internationale Aufmerksamkeit. Ebenso wird regelmäßig über die eigennützigen Interessen der EU-Migrationspolitik berichtet.
Die humanitäre und medizinische Lage der Zivilbevölkerung wird dabei jedoch zu oft ignoriert. Sie können darauf aufmerksam machen: Teilen Sie unsere Beiträge, diskutieren Sie mit und informieren Sie sich weiter!
Werden Sie aktiv!
Schaffen Sie Aufmerksamkeit und setzen Sie sich mit uns für Veränderungen ein.
Diskutieren
Lesen Sie unsere Beiträge und sprechen Sie mit ihrem Umfeld.