Seenotrettung auf dem Mittelmeer
Das Mittelmeer ist die gefährlichste Grenze der Welt. Tausende Menschen kamen in den vergangenen Jahren ums Leben, als sie versuchten, Europa in seeuntauglichen Booten zu erreichen. Es ist eine humanitäre und rechtliche Pflicht, Menschen in Seenot zu retten. Nach dem Ende der staatlichen Seenotrettung im Mittelmeer haben wir unsere Einsätze im Jahr 2015 auf diese Region ausgeweitet, um die entstandene Lücke zu schließen.
So helfen wir Menschen auf dem Mittelmeer
- Retten: Mit unserem Rettungsschiff, der Geo Barents, retten wir Menschen aus Seenot und bringen sie an einen sicheren Ort.
- Versorgen: An Bord betreuen wir die Geretteten medizinisch und psychologisch.
- Zuhören: Wichtig ist auch, dass die Menschen mit uns sprechen und ihre oftmals traumatisierenden Erlebnisse erzählen können.
Häufige Fragen zur Seenotrettung
Weshalb ist Ärzte ohne Grenzen auf dem Mittelmeer im Einsatz?
Das zentrale Mittelmeer ist nach wie vor die tödlichste Grenze der Welt. Durch das Ende staatlicher Seenotrettungsprogramme ist es privaten Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen überlassen, das Vakuum zu füllen und Menschen in Seenot vor dem Ertrinken zu retten.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten reagieren nicht, wenn Schiffbrüchige stunden-, tage- und manchmal wochenlang ohne Hilfe auf dem Meer ausharren. Darüber hinaus unterstützen sie aktiv ein System, das schutzbedürftige Menschen gewaltsam nach Libyen zurückschickt.
Libyen ist kein sicherer Ort, was auch die Vereinten Nationen immer wieder betonen. Kein Mensch sollte in ein Land gebracht werden, in dem ihm Misshandlungen und willkürliche Inhaftierung drohen.
Was geschieht mit den Menschen, nachdem sie aus Seenot gerettet wurden?
Eine Rettung ist nach internationalem Recht erst abgeschlossen, wenn die Geretteten an einem sicheren Ort an Land gehen können. Aus diesem Grund versuchen die Teams von Ärzte ohne Grenzen auf dem Mittelmeer, schutzbedürftige Menschen so schnell wie möglich in einen sicheren Hafen zu bringen.
Libyen gilt nicht als sicherer Ort für Migrant*innen und Geflüchtete, wie auch Organisationen der Vereinten Nationen und die europäische Kommission bestätigt haben. Die Mitarbeitenden von Ärzte ohne Grenzen in Libyen erleben bei ihrer Arbeit in Internierungscamps unmittelbar, wie Menschen unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten werden und Misshandlung, sexuelle Gewalt und Ausbeutung erleiden müssen.
Auch Tunesien ist kein sicherer Ort für Geflüchtete und Migrant*innen, unter anderem da das Land über kein nationales Asylgesetz und keinen kohärenten Rahmen für den Schutz dieser Menschen verfügt.
Was sind die häufigsten medizinischen Probleme der Geretteten an Bord?
Die medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen haben an Bord von Rettungsschiffen auf dem Mittelmeer bislang vor allem Gesundheitsprobleme behandelt, die mit der Überfahrt in den überfüllten Booten zusammenhängen: Unterkühlung, Verätzungen, gebrochene Gliedmaßen bis hin zur Behandlung von Patient*innen, die beinahe ertrunken wären.
Darüber hinaus sind unsere Teams häufig mit den Folgen schlechter Hygienebedingungen konfrontiert, denen Menschen auf der Flucht oder in Internierungslagern in Libyen ausgesetzt sind. Oft sehen sie außerdem Verletzungen durch Gewalt, etwa Schuss- oder Stichverletzungen, schlecht verheilte Knochenbrüche oder infizierte Wunden. In manchen Fällen müssen chronische Erkrankungen oder Komplikationen behandelt werden, die etwa mit Diabetes oder Mangelernährung zusammenhängen. Unter den Geretteten befinden sich viele Schwangere und kleine Kinder, weshalb eine Hebamme ein fester Bestandteil der Teams ist.
Ermutigen Such- und Rettungsaktionen die Menschen zur Flucht?
Es ist durch mehrere Studien bewiesen, dass Menschen die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer in unsicheren Booten unabhängig davon antreten, ob zivile Seenotrettungsschiffe im Einsatz sind. Humanitäre Organisationen, die Such- und Rettungsaktionen auf See durchführen, bewahren jedes Jahr Hunderte von Menschen vor dem Ertrinken. Humanitäre Maßnahmen sind nicht die Ursache dieser fatalen Situation, sondern eine Reaktion darauf.
Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass es keinen entscheidenden „Pull-Faktor“ durch Rettungsschiffe im Zentralen Mittelmeer gibt:
- University of London et al. (Charles Heller/Lorenzo Pezzani): Blaming the Rescuers
- Oxford University et al. (Elias Steinhilper/Rob Gruiters): Border Deaths in the Mediterranean
- Doctors without Borders Operational Research Unit LuxOr: Humanitarian NGOs conducting Search and Rescue Operations at Sea: A “pull factor”?
- Peace Research Institute Oslo: "Preventing the Work of Rescue Vessels in the Mediterranean Will Not Save More Migrants"
Unsere Forderungen
- Wir fordern ein Ende der Zusammenarbeit der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit der libyschen Küstenwache.
- Wir fordern ein Ende der Rückführungen von Schutzsuchenden in unsichere Länder.
- Wir fordern eine Rückkehr zur staatlichen Seenotrettung.
- Wir fordern menschenwürdige Bedingungen für Asylsuchende an den EU-Außengrenzen und die schnelle Bearbeitung ihrer Verfahren.
- Wir fordern legale Flucht- und Aufnahmewege.
Jetzt reinhören in die Podcastfolge zum Thema: Mit 606 Geflüchteten an Bord – Seenotrettung auf dem Mittelmeer
In unserem Podcast "Notaufnahme" berichten Mitarbeitende von ihrer Arbeit. Annika Schlingheider war von April bis Juni 2023 auf unserem Seenotrettungsschiff Geo Barents im Einsatz. Als Referentin für humanitäre Angelegenheiten kümmerte sie sich dort um den Schutz der Geflüchteten und dokumentierte ihre Geschichten. Während ihres Einsatzes erlebte Annika die bisher größte Einzelrettung der Geo Barents – 606 Schutzsuchende waren an Bord und benötigten Versorgung.
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