Das Virus lernt - wie steht es mit der Politik?
Im Dezember 2019 begann SARS-CoV-2 sich zu einer globalen Pandemie auszubreiten. Das Virus kostet seitdem viel zu viele Menschenleben und betrifft uns alle. Von der Ärztin in Aden, der zum Teil der Sauerstoff für ihre Patient*innen ausging, über die Krankpflegerin in Kinshasa, die immer noch nicht geschützt ist, hin zum Großvater aus Brandenburg, der seine Enkelkinder nicht mehr sieht aus Angst vor einer Infektion.
Vor einem Jahr wurde die erste Impfung gegen das Virus in Großbritannien verabreicht. Seitdem sind es weltweit knapp 8 Milliarden Dosen, die verimpft wurden. Leider kamen davon nur acht Prozent in den Ländern mit dem weltweit niedrigsten Einkommen an. Die Krankschwester in Kinshasa muss weiter warten -und mit ihr Millionen weitere Menschen.
Leere Versprechen
Die schützenden Impfstoffe gegen das Virus sollten “globale öffentliche Güter sein”. Regierungen im Globalen Norden, auch die letzte deutsche Bundesregierung, wiederholte das Mantra “Die Pandemie ist erst dann vorbei, wenn sie für alle vorbei ist” gebetsmühlenartig - die wegweisenden politischen Handlungen aber blieben aus.
Länder im globalen Süden haben auf diese Aussagen vertraut und wurden bislang bitter enttäuscht. Die COVAX-Initiative, die für alle Impfstoff einkaufen und verteilen sollte, bleibt weit hinter ihrem erklärten Ziel zurück. Auch Deutschland hat sein Versprechen - bis Ende 2021 100 Millionen Impfstoffdosen an die Initiative abzugeben - gebrochen.
Das Mutationskarusell dreht sich weiter
Das griechische Alphabet ist bald aufgebraucht durch die immer neuen Bezeichnungen für immer neue Mutationen des Coronavirus. Gesundheitsexpert*innen haben es vorausgesagt: Wenn es keinen ausreichenden globalen Impfschutz gibt, wird das Virus immer weiter mutieren.
Jetzt haben südafrikanische Forscher*innen kürzlich die Omikron-Variante entdeckt. Wo die Mutation tatsächlich das erste Mal auftrat, bleibt aktuell unklar. Sicher ist, dass das Virus immer neue Varianten bilden wird, wenn es sich weiterverbreiten kann.
Mehr Fortschritt wagen?
Die neue Koalition aus SPD, Grünen und der FDP startet während der vierten Welle in Deutschland in ihre Regierungszeit. Weltweit sterben täglich weiterhin tausende Menschen entweder durch das Virus selbst oder an anderen Krankheiten, die auf Grund der Pandemie in den Schatten gerückt sind. In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die neue Regierung sich “konstruktiv in die internationalen Debatten um eine gerechte Impfstoffversorgung” einzubringen.
Aber die Debatten sind abgeschlossen. Effektive Lösungen und Maßnahmen liegen längst auf dem Tisch. Sie müssen nur umgesetzt werden.
Kanzler Olaf Scholz hat versprochen, dass es keine roten Linien bei der Eindämmung der Pandemie geben wird. Das darf nicht nur national, sondern muss auch auf internationaler Ebene gelten.
Was muss also geschehen?
Erstens müssen die versprochenen Dosen schnell von Deutschland an COVAX abgegeben werden. Das kann zwar nur eine Übergangslösung sein, ist aber trotzdem essentiell - vor allem für einen zügigen Schutz von bislang ungeimpften Gesundheitsperson und Risikogruppen in Ländern des Globalen Südens.
Zweitens kann die neue deutsche Regierung rote Linien bei der Welthandelsorganisation (WTO) aufheben und sich für eine zeitlich begrenzte Patentaussetzung für Covid-19 Impfstoffe, Medikamente, Test etc. aussprechen.
Drittens muss der globale Ausbau von Produktionskapazitäten für Impfstoffe massiv ausgeweitet werden. Das wird nur mit einem Technologie- und Know-how-Transfer der aktuellen Hersteller möglich sein. Diesen muss die neue Regierung entschieden vorantreiben, denn bisher bleiben die freiwilligen Bestrebungen der Firmen weit hinter dem was notwendig ist zurück.
Fazit
Das Problembewusstsein steht. Die politische Bereitschaft die Pandemie zu beenden, wurde von allen bekundet. Die Lösungen liegen auf dem Tisch und wurden ausreichend debattiert. Nichts hindert die neue Regierung daran zu handeln.