Europa lagert Grenzen aus
Die USA wollen keine Asylgesuche mehr an ihren Grenzen zulassen, Großbritannien hält weiterhin am Plan fest, Geflüchtete für die Dauer des Asylverfahrens nach Ruanda zu fliegen. Die EU-Staaten sind in der Flüchtlingspolitik tief gespalten und entscheiden sich ebenfalls dafür, die Verantwortung auszulagern - an Nicht-EU-Länder.
EU versucht, Verantwortung abzugeben
Am 14. Februar signalisierte das niederländische Parlament den Wunsch, Asylzentren außerhalb der EU einzurichten. Dänemark versucht derweil schon seit einiger Zeit mit Ruanda ein Abkommen über die Aufnahme von Asylsuchenden zu schließen. Aktuell ist die dänische Regierung sogar bemüht, auf diesen Plan als gesamteuropäische Lösung zu setzen. Nun will auch Deutschland laut neuem Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen Joachim Stamp (FDP) die Auslagerung von Asylverfahren in afrikanische Staaten als Teil einer strengeren Asylpolitik prüfen.
Bisher sind diese Ansätze an zu großen praktischen und legalen Hindernissen gescheitert.
Wird diese Art der Auslagerung durchgesetzt, kommen die europäischen Länder ihrer Verantwortung für den Schutz von Menschen auf der Flucht nicht mehr nach.
Menschen am Zugang zu Asyl hindern - mit allen verfügbaren Mitteln
Das angestrebte gemeinsame Ziel: Die Einrichtung von Aufnahmezentren außerhalb Europas in Zusammenarbeit mit der EU. Es scheint vielen europäischen Staaten zunehmend egal zu sein, ob sie sich an europäisches Recht oder Völkerrecht halten.
Sie versuchen mit allen verfügbaren Mitteln Menschen am Zugang zu Asyl zu hindern. Sei es mit Stacheldraht, Zäunen, unmenschlichen Lebensbedingungen in Lagern oder illegalen Zurückweisungen zu Land und auf See.
Fluchtrouten gewollt blockieren
In der Konsequenz werden Menschen auf der Flucht aufgehalten: Sie stoßen an Zäune und Grenzen, werden inhaftiert oder Opfer von Menschenhandel. Entlang blockierter Fluchtrouten verharren somit Tausende Menschen und warten darauf, dass sich Grenzübergänge öffnen.
Unsere medizinischen Teams arbeiten entlang dieser Routen und Knotenpunkte und leisten medizinische sowie psychologische Nothilfe. Denn in solchen inoffiziellen Camps herrschen meist unmenschliche Bedingungen: der Zugang zu Wasser und medizinischer Versorgung ist katastrophal, was die Verbreitung von Krankheiten begünstigt, und Angst und Perspektivlosigkeit lassen die Menschen verzweifeln.
Die EU verrät ihre eigenen Werte
Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich beim letzten Gipfeltreffen im Februar darauf, „umfangreiche EU-Mittel zu mobilisieren", um Länder bei der Stärkung ihrer "Grenzschutzkapazitäten und -infrastruktur" zu unterstützen.
Konkret bedeutet das: Länder wie Bulgarien können ab jetzt Brüsseler Gelder für Grenzpersonal und Fahrzeuge verwenden und ihr eigenes Geld zur Verstärkung des Grenzzauns einsetzen. Diese hochgerüstete Grenzanlagen führen dazu, dass Menschen auf der Flucht dazu gezwungen werden, sich in Europa in lebensgefährliche Situationen zu begeben.
Nur nicht nach Europa
All das fügt sich in einen breiteren gefährlichen Trend der Externalisierung der Außengrenzen: der Auslagerung von Migrations- und Grenzkontrollen in Drittstaaten. Die Auswirkungen für die Betroffenen sind katastrophal: Zugang zu Schutzmechanismen ist nicht mehr gewährleistet und wer trotzdem versucht zu flüchten, dem droht Gefahr für Leib und Leben.
Traurige Beispiele hierfür sind die Stärkung der Küstenwache in Libyen, der Zusammenarbeit mit Milizen im Sudan sowie der geplante Einsatz von Frontex Grenzschutzbeamten in Mauretanien und dem Senegal – all diese Maßnahmen sollen verhindern, dass Menschen auf der Flucht überhaupt erst in die Nähe einer europäischen Außengrenze gelangen.
Menschen fliehen, wenn sie müssen
Menschen fliehen. Sie fliehen vor bewaffneten Konflikten und Kriegen, vor Naturkatastrophen, vor sexualisierter Gewalt, Erpressung und Bandenkriminalität sowie vor lebensbedrohlichen wirtschaftlichen Konsequenzen der Covid-19-Pandemie und des Klimawandels.
Wie die Weltgemeinschaft damit umgeht, ist eine Entscheidung: Eine Entscheidung für Abschottung, Nationalismus und Wegschauen - oder für Menschenrechte, Solidarität und Humanität.
Unsere Forderungen
Mit Blick auf die europäischen Außengrenzen müssen Menschen in Not im Zentrum der Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union stehen.
Wir fordern:
- Legale und sichere Fluchtwege
- Menschenwürdige Unterbringung und Zugang zu Versorgungsleistungen inklusive der medizinischen Versorgung und psychosozialer Begleitung auch und insbesondere an den EU-Außengrenzen
- Wirksamer Zugang zu fairen Asylverfahren, die rechtsstaatlichen Standards entsprechen
- Ein staatliches Seenotrettungsprogramm und das Ende der Finanzierung der libyschen Küstenwachen durch die EU und ihre Mitgliedstaaten