Tuberkulose (TB) ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die durch Mykobakterien-Stämme verursacht wird. Sie gehört zu den vernachlässigten Krankheiten, in deren Erforschung unzureichend investiert wird, da sie hauptsächlich Menschen in ärmeren Ländern betrifft.
Expert*innen sprechen von einer Tuberkulose-Epidemie, die aufgrund der veralteten Diagnose- und Behandlungsmittel und des Fehlens eines wirksamen Impfstoffs schwer zu kontrollieren ist.
Zudem gibt es verschiedene Arten resistenter Tuberkulose (DR-TB) und extrem resistenter Tuberkulose (XDR-TB), die extrem schwer behandelbar sind. Laut WHO stellt DR-TB eine globale Bedrohung dar, jährlich erkranken rund 500.000 Menschen neu an DR-TB.
Unsere Strategie in der Behandlung von Tuberkulose
- Möglichst viele Menschen rechtzeitig diagnostizieren und behandeln.
- Statt Patient*innen stationär in Kliniken einzuweisen, behandeln wir möglichst viele TB-Kranke ambulant und in lokalen Projekten.
- Darüber hinaus machen unsere Teams in fast allen Projekten Hausbesuche bei TB-Patient*innen, um sie und ihre Familien über Präventionsmaßnahmen zu informieren und darin zu unterstützen.
Wissenswertes über Tuberkulose
Wie erfolgt die Ansteckung mit Tuberkulose?
Die Ansteckung mit den Tuberkulose-Bakterien erfolgt über die Atemwege. Die Tuberkulosepartikel werden von Erkrankten als Tröpfchen abgehustet. Über die Luft gelangen sie in die Atemwege anderer Menschen. Es dauert sechs bis acht Wochen, bis nach einer Ansteckung erste Anzeichen einer Tuberkulose auftreten (Inkubationszeit).
Weltweit trägt jeder Dritte die Bakterien in sich. Die TB bricht aber nur bei etwa jedem zehnten bis zwanzigsten aus: Eine aktive Tuberkulose droht vor allem Menschen mit einem geschwächten Immunsystem wie Patient*innen mit Mangelernährung oder einer HIV-Infektion. Gefährdet sind zudem Menschen in Konfliktregionen oder in Regionen mit schlechter Gesundheitsversorgung und unzureichenden hygienischen Bedingungen.
Ein erhöhtes Risiko für eine aktive Tuberkulose haben auch Kinder unter fünf Jahren, Ältere sowie Menschen in Gefängnissen, Geflüchtetenlagern, Slums oder Regionen mit hoher TB-Rate.
Welche Symptome haben an Tuberkulose erkrankte Menschen?
Tuberkulose ist zunächst eine Lungenerkrankung. Die aktive Tuberkulose äußert sich durch Symptome wie:
- anhaltender, hartnäckiger Husten
- blutiger Auswurf
- Brustschmerzen
- Atemnot
- Kurzatmigkeit
Zudem sind Betroffene stark geschwächt, verlieren Gewicht, haben Nachtschweiß und Fieber.
TB kann prinzipiell jedes Organ befallen, so beispielsweise auch die Knochen oder das Nervensystem.
Typische Orte der Ansteckung mit einer aktiven TB sind:
- überfüllte Räume in Gemeinschaftsunterkünften
- Haushalte mit wenig Platz und schlechter Belüftung
- gemeinsame Arbeitsplätze mit Patient*innen
- Gesundheitseinrichtungen
- Krankenhäuser
Was ist MDR-TB und XDR-TB?
In den Bakterienpopulationen, die TB verursachen, sind immer auch Erreger vorhanden, die natürlicherweise gegen ein bestimmtes Medikament resistent sind. Diese Bakterien werden bei einer Monotherapie (Behandlung mit nur einem Medikament) oder auch bei einer inadäquaten Behandlung selektioniert und können sich dann ungehindert vermehren. In der Konsequenz kann resistente Tuberkulose (DR-TB) oder extrem resistente Tuberkulose (XDR-TB) entstehen.
Wenn Patient*innen gegen die beiden wirksamsten Antibiotika (Rifampicin und Isoniazid) resistent sind, spricht man von multiresistenter TB (MDR-TB). Von extrem resistenter TB (XDR-TB) spricht man, wenn Patient*innen gegen Medikamente der zweiten Generation resistent sind.
Um zu verhindern, dass die TB-bakterien Resistenzen entwickeln, werden Patient*innen meist mit 3 oder 4 Antituberkulotika behandelt. Therapiestandard ist die Kombination aus Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Pyrazinamid (PZA) und Ethambutol (EMB).
Kann man Tuberkulose vorbeugen?
Operations- oder Atemschutzmasken, die Tuberkulosepartikel aus der Luft filtern, können vor einer Ansteckung mit TB schützen. Darüber hinaus sollte der Kontakt zu Erkrankten in geschlossenen Räumen vermieden werden.
In Gesundheitseinrichtungen sollten Patient*innen mit Symptomen schnell diagnostiziert und behandelt werden. Das senkt das Risiko einer Ansteckung für Mitpatient*innen. Außerdem sind effektive Belüftungssysteme in Krankenhäusern wichtig.
Für abwehrgeschwächte Risikogruppen lohnt eine vorbeugende medikamentöse Behandlung. Betroffene erhalten für drei bis sechs Monate die sogenannte Isoniazid-Präventionstherapie (IPT). Obwohl viel mehr Patient*innen von der IPT profitieren könnten, haben bisher zu wenige Zugang dazu.
Die IPT eignet sich für:
- Menschen mit HIV ohne aktive TB,
- Schwangere,
- Mitbewohner von TB-Patient*innen,
- Kleinkinder in Haushalten mit TB-Kranken,
- Personal, das mit TB-Kranken arbeitet.
Wie wird Tuberkulose diagnostiziert?
In ärmeren Ländern wird die aktive Tuberkulose meist mit einem veralteten Test diagnostiziert, der nach Erregern in einer Bakterienkultur) unter dem Mikroskop sucht. Dieser Test dauert bis zu acht Wochen, braucht geschultes Fachpersonal und ein Labor. Bei Kindern und HIV-Infizierten reicht das Sputum für diesen Test meist nicht aus: Der Test entdeckt weniger als die Hälfte aller tatsächlichen Fälle.
Treffsicherer und innerhalb von wenigen Stunden liefert ein neuer molekularer Test namens GeneXpert MTB/RIF die Diagnose. Er weist auch bestehende Resistenzen nach. Wir setzten den molekularen Test in vielen unserer Projekte ein. Der Test braucht eine zuverlässige Stromversorgung und ausreichend Sputum der Patient*innen. Kombiniert mit einem Urintest kann er TB auch bei HIV-Patient*innen diagnostizieren. 2023 haben wir es gemeinsam mit anderen Zivilgesellschaftlichen Organisationen geschafft, das der Hersteller den Preis zumindest für den TB-Test um 20% senkt – auch wenn die Preise für Tests für andere Krankheiten und zum Beispiel XDR-TB noch astronomisch sind, ist das ein Teilerfolg und ermöglicht mehr Menschen eine Diagnose.
Wie wird Tuberkulose behandelt?
Tuberkulose wird grundsätzlich mit einer Kombination von Medikamenten behandelt. Grund dafür ist zum einen, dass sich die Tuberkulosemedikamente in ihren Wirkmechanismen und zellulären Wirkorten (wie Zytosol und Lysosom) unterscheiden. Zum anderen verhindert eine Kombinationsbehandlung die Selektion medikamentenresistenter Bakterien.
Da innerhalb der tuberkulösen Läsionen verschiedene Bakterienpopulationen vorkommen und die Erreger unterschiedlich stoffwechselaktiv sind, ergänzen sich die Medikamente bei einer kombinierten Gabe in ihrer Wirksamkeit.
Eine Behandlung von unkomplizierter TB dauert mindestens sechs Monate.
Die Behandlung resistenter Formen von Tuberkulose erfordert die Einnahme eines Medikamentencocktails und dauert in der Regel 6 (DR-TB) bis 9 (pre-XDR-TB) Monate.
Im Fall einer extrem resistenten Tuberkulose (XDR-TB) ist die Behandlung entsprechend komplexer. Nur jede*r dritte Patient*in mit XDR-TB wird geheilt.
Enorm wichtig ist, dass Patient*innen die gesamte Behandlung abschließen, auch wenn sie sich schon besser fühlen. Eine unvollständige Behandlung kann zur Entwicklung einer Arzneimittelresistenz führen, die dann wiederum schwieriger zu behandeln ist. Eine dezentralisierte Behandlung, bei der die Patient*innen zu Hause betreut werden, kann ihnen helfen, die Behandlung durchzuhalten und eventuelle Hindernisse zu überwinden.
Warum beteiligt sich Ärzte ohne Grenzen an klinischen Studien?
Tuberkulose ist eine sehr komplexe Krankheit. Zur Behandlung braucht es eine Kombination aus Medikamenten. Kommt ein neues Medikament auf den Markt bleibt deshalb immer die Frage: Wie verwenden wir es jetzt? In Kombination mit was? Wird das nämlich nicht getestet und festgelegt, werden die Medikamente breit angewendet – was wiederum das Rsiko erhöht, dass erneut Resistenzen entstehen und damit die neuen, besseren Medikamente auch nicht mehr wirken. Da Pharmaunternehmen bisher dazu tendiert haben einzelne Medikamente zu entwickeln, den nächsten Schritt, die Wirkung dieser Medikamente in Kombination zu optimieren, nicht gegangen sind, tun wir das - gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen und in Kooperation mit Gesundheitsministerien und Wissenschaftseinrichtungen.
Mit Erfolg:
Die klinische TB-Studie TB-PRACTECAL (2021) von Ärzte ohne Grenzen hat gezeigt, dass neuere und kürzere rein orale 6-monatige DR-TB-Behandlungsschemata sicherer und wirksamer sind als die bisher akzeptierten Standards.
Als Reaktion darauf empfahl die WHO im Mai 2022 zwei neue Behandlungsschemata für Menschen mit DR-TB, die die bisherigen ersetzen sollten: Darunter das 6-monatige sogenannte BPaLM-Schema, das in der TB-PRACTECAL-Studie von Ärzte ohne Grenzen mit einer Erfolgsquote von 89 % bewertet wurde.
Das neue BPaLM-Schema könnte sich zukünftig enorm positiv auf die Qualität der Versorgung vieler der 500.000 Menschen auswirken, die jedes Jahr an DR-TB erkranken.
Der derzeitige niedrigste Weltmarktpreis für eine 6-monatige BPaLM-Behandlung ist mit rund 700 US-Dollar jedoch immer noch zu hoch, was die Akzeptanz in Ländern mit hoher TB-Belastung bremsen könnte.
Die beiden teuersten Medikamente des BPaLM-Schemas, Pretomanid und Bedaquilin, sind beide mit öffentlichen Mitteln entwickelt worden. Sie könnten zu einem deutlich niedrigeren Preis als dem derzeitigen hergestellt und mit Gewinn verkauft werden. Deswegen fordert Ärzte ohne Grenzen, dass der Preis für eine komplette DR-TB-Behandlung nicht mehr als 500 US-Dollar pro Person betragen darf.
Die Ergebnisse der klinischen Studie der „endTB-Partnerschaft” (2023) belegen die Wirksamkeit von vier neuen, verbesserten Therapieschemata zur Behandlung von multiresistenter Tuberkulose oder rifampicin-resistenter Tuberkulose (MDR-/RR-TB). Die endTB-Studie wurde gemeinsam von Partners In Health (PIH), Interactive Research and Development (IRD) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) durchgeführt und von Unitaid finanziert.
Die endTB-Therapieschemata stellen wichtige Alternativen für eine kürzere MDR-TB-Behandlung dar und ergänzen ein anderes hochwirksames, kürzeres MDR-TB-Therapieschemata namens BPaLM, das für bestimmte Patient*innen nicht geeignet ist. Darüber hinaus unterstützt die Studie die Verwendung eines vierten Behandlungsschemas als Alternative für Menschen, die Bedaquilin oder Linezolid nicht vertragen; mindestens eines dieser beiden Medikamente ist in jedem von der WHO empfohlenen Behandlungsschema für MDR-TB enthalten.
Auch hier stellen die Kosten für einige Medikamente nach wie vor ein Hindernis in der Behandlung von Tuberkulose dar. Ein Beispiel ist das Medikament Delamanid, dessen Preis immer noch 12 bis 40 Mal höher ist, als er - gemäß einer unabhängigen Schätzung der Produktionskosten des Medikaments - sein sollte.
Gibt es eine Impfung gegen Tuberkulose?
Ja, es gibt einen bereits älteren Impfstoff gegen Tuberkulose. Die BCG-Impfung gegen Tuberkulose enthält lebende Bakterien der Rindertuberkulose. Die Impfung besteht aus einer Einzeldosis.
In Deutschland wird die BCG-Impfung gegen Tuberkulose seit 1998 nicht mehr von der Ständigen Impfkommission empfohlen. Gründe hierfür sind unter anderem, dass die Ansteckungsgefahr in Deutschland nicht sehr groß ist und der Impfstoff je nach Umständen (z. B. Alter des Geimpften) nur eine Wirksamkeit von 50 bis 80 Prozent hat. Außerdem treten öfter als bei anderen Standardimpfungen unerwünschte Nebenwirkungen auf.
In Deutschland ist zurzeit kein BCG-Impfstoff zugelassen. Er ist aber international erhältlich und kann auch in Deutschland geimpft werden.
In welchen Ländern behandelt Ärzte ohne Grenzen Tuberkulose?
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Tuberkulose - (k)ein Ende in Sicht?
Tuberkulose gibt es seit Jahrhunderten. Die existierenden Behandlungen sind weltweit ungleich verfügbar. Das muss sich ändern!